Michael Brückner – Servant Of The Secret Fire
 

Michael Brückner – Servant Of The Secret Fire
SynGare Records (2020)

(10 Stücke, 127:14 Minuten Spielzeit)

Der Elektronikmusiker Michael Brückner bringt im Herbst 2020 ein neues Album auf den Markt. Es heißt „Servant Of The Secret Fire“. Wie im vierseitigen Booklet der CDR zu lesen ist, wurde die Musik von dem bekannten Schriftsteller J.R.R. Tolkien inspiriert. Allerdings handelt es sich nicht wie bei Bo Hansson um eine Adaption des Buches „Der Herr der Ringe“, sondern bezieht sich mehr auf die Welten, den kosmologischen Rahmen und die Mythologien, die er erschaffen hat. Darüber hinaus hat Michael das Album einem in 2018 verstorbenen Freund gewidmet.

 

 


Das Album trägt den Untertitel „Drones, Atmospheres And Dreamscapes Vol. 1“. Der ist allerdings so dunkel am unteren Rand des Covers platziert, das man ihn schnell übersieht.

Michael dazu: „Aber auch mit Tolkien als Person habe ich mich befasst. Er war ja z.B. Katholik und „Der Herr der Ringe“ enthält ja auch einige Bezüge zur christlichen Mythologie, wenn auch recht verschleiert - das „geheime Feuer“ etwa, dem Gandalf dient, von einigen Kritikern für ein Symbol des Heiligen Geistes aufgefasst usw. - weshalb auf dem Cover des Albums der Umriss einer Taube zu sehen ist, die in der christlichen Ikonographie wiederum für den Heiligen Geist steht...“

Ein Großteil der Musik ist ursprünglich als Meditationsmusik entstanden, die zwei Freunde von Michael (ein Meditationslehrer und ein Hypnose-Therapeut) unabhängig voneinander bei ihm angefragt hatten. Von da ab hat sich die Sache dann allerdings weiterentwickelt zu dem Album, das dabei herausgekommen ist. Das Album ist, wie der Untertitel schon andeutet, der Start einer Serie, die Michael noch fortsetzen wird, in der er sehr ruhige, atmosphärische, introspektive Klangfarbenmusik vor allem (mit nur wenig Rhythmus, Melodie, Dramatik oder anderen Formen von „Action“...) erstellen wird.

Alle Stücke der DoppelCDR haben Laufzeiten jenseits der Zehn-Minuten-Marke. Wie schon oben erwähnt sind es hauptsächlich meditative Flächen und atmosphärische Sounds die eine sehr ruhige und entspannte Stimmung verbreiten.

Die erste CDR beginnt mit dem 18:43minütigen Titelstück. Herrliche Harmoniebögen schweben aus den Lautsprechern und schmeicheln dem Ohr. Da kann man sich hineinfallen lassen und fortschweben. Nach etwas mehr als sieben Minuten kommen dann rhythmische Elemente und eine Melodielinie auf. Das ist Balsam für Geist und Seele.

Im zweiten, 16:35minütigen Track „White Bell Of Anor“ (hier ist die Zeitangabe auf dem Cover nicht ganz richtig) eröffnen sanfte Drones das Stück, auf dem sich dann weite, harmonische Flächen ausbreiten. Zeitlupenartig ziehen diese Klangwolken durch den Raum und lassen Körper und Geist herunterkommen. Nur leichte Veränderungen im Klangbild werden vorgenommen. Allerdings wirkt das Stück vor allem durch die Veränderung in der Dynamik, die zunehmend anschwillt.

Das dritte Stück „Mythopoéia“ ist mit seinen 10:52 Minuten Spielzeit der kürzeste Track des Albums. Mystische Klanggebilde ziehen zu Beginn auf. Dahinein setzt Michael dann einige Klangtupfer, die wie tiefe Trommelschläge (fast wie Kanonenschläge) klingen. Danach verändern sich die flächigen, harmonischen Klangskulpturen ganz langsam. Gedanklich kann man hier in die mystischen Welten von Tolkien abtauchen, denn es entstehen Landschaften vor dem geistigen Auge.

„Yavanna“ bringt es auf 15:12 Minuten Spielzeit (hier differiert die Zeitangabe auf dem Cover auch um zwei Minuten). Eine Tonfolge bietet hier eine einfache Melodie. Aus dieser transformieren sich dann nach wenigen Minuten wieder schwebende Klanglandschaften, die zum Meditieren einladen. Dem folgt der letzte Track der ersten CDR, das 16:16minütige „Black Bell Of Udûn“. Hier hat Michael einige düstere Drones zu bieten, die mich wiederum in die Welt von Tolkien entführen, da erneut Landschaften vor meinem geistigen Auge entstehen. Nach etwas mehr als vier Minuten schälen sich dann rhythmische Strukturen heraus, die durch das Setzen von Klangtupfern sehr mystisch bleiben. Dies geht dann ab Minute Sechs in einen melodischen Part über. Der Track klingt wie eine Reise durch fremde Welten.

Die zweite CDR bietet dann weitere fünf Tracks und beginnt mit dem 18:18minütigen „The Dreaming Of The Valar“. Michael macht hier weiter, wie er auf der ersten CDR begonnen hat, nämlich mit schwebenden Klangformationen, die sich nur langsam verändern. Nach etwas mehr als acht Minuten kommen dann noch rhythmische Elemente hinzu, die akzentuiert eingesetzt werden. Das passt wunderbar zusammen. Die rhythmischen Klangfarben erinnern mich komischerweise ein wenig an die von mir geliebten Karl May-Soundtracks von Martin Böttcher. Insofern bin ich geistig hier sowohl in fremden Welten wie auch in den Kulissen der Winnetou-Filme unterwegs.

Wellenförmige, leicht bedrohlich wirkende Sounds leiten dann das fast 13minütige „Ancient Darkness“ ein. Nach einigen Minuten geht dies aber in einen leicht sakral wirkenden Sound über, der aus Drones/Flächen besteht. Dahinein verwebt Michael dann einige Harmonien, die das Ganze wieder auflockern. „Ainulindalé“ bietet über 17 Minuten erhabene Klangflächen, die sich sanft verändern und einen sehr schwebenden Charakter aufweisen. Sehr mystisch ist auch der 14:32minütige Track „In The Beginning“. Aus einem dumpfen, leisen Grundton entwickeln sich bzw. kommen Klangmuster nach vorne. Hier habe ich das Gefühl bei der Entstehung des Universums dabei zu sein.

Den Abschluss bildet dann das 13:30minütige „Aiwé“. In diesem Stück ziehen wieder weite Flächen auf, die mich gedanklich erneut in fremde Landschaften, so wie sie Tolkien erfunden hat, ziehen.

Mit „Servant Of The Secret Fire“ hat Michael Brückner den Startschuss für eine neue Serie von Musik abgegeben, bei dem er Flächen, atmosphärische Klanglandschaften und Sequenzen zum Träumen und Dahinschweben erzeugt. Das wirkt alles sehr ruhig fließend und es entstehen vor dem inneren Auge Bilder und Szenerien. Ein sehr schönes Werk, das zum Entspannen einlädt und wieder mal die Vielfältigkeit von Michael Brückner zeigt.

Stephan Schelle, September 2020

 
   

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