Loom - Scored
 

Loom - Scored
Viktoriapark (2012)
(20 Stücke, 123:54 Minuten Spielzeit)

Beim letztjährigen E-Live-Festival in der niederländischen Stadt Oirschot (nahe Eindhoven) war der absolute Topact die neue Formation Loom. Das lag vor allem an der Besetzung der Band, die aus Johannes Schmoelling, Jerome Froese und Robert Waters besteht. Die beiden erstgenannten sollten allen Elektronikfreunden bekannt sein, waren sie doch mehrere Jahre über in der Kultformnation Tangerine Dream Mitglied.

 


Und da dies der Fall ist, war auch klar, dass ein großer Teil des Konzertes aus Stücken von Tangerine Dream, sowie aus Solotracks von Schmeolling und J. Froese bestand. Eigene gemeinsame Sachen hatten die drei nicht am Start, denn die beiden jungen Musiker Froese und Waters hatten den großen Johannes Schmoelling, der neben seinen Soloveröffentlichungen viel Musik für das Fernsehen und fürs Theater schreibt, überreden können noch einmal live aufzutreten. Und das war dann genau beim E-Live, das an diesem Tag eine Sternstunde erlebte. Im Frühjahr 2012 erschien nun der Mitschnitt dieses einmaligen Konzertes auf DoppelCD. So kann jeder der dort war das Konzert noch einmal erleben und alle die es versäumt haben, kommen zumindest in den Genuss dieser atemberaubenden Interpretationen.

Sehr gut gefällt mir bei dieser CD, dass man die Publikumsreaktionen mit eingefangen hat und so doch eine gewisse Liveatmosphäre entsteht, was ja bei Livemitschnitten von Elektronikkonzerten nicht selbstverständlich ist. Auch einen Teil der Ansage, die Johannes im ersten Set bot, hat man löblicherweise mit auf CD gebannt. So kann man einen sehr entspannten Johannes Schmoelling erleben, dessen Freude an dem Gig man sichtlich spüren kann.

Auch wenn man ihn nicht sieht, so kann man doch erahnen, welcher magische Moment es war, als Johannes Schmoelling den Eröffnungstrack „Palace Of Dreams“ solo auf einem Flügel spielte. Als ich die CD das erste Mal in den Player legte, überkam mich das gleiche Gänsehautgefühl, das ich bei dem Konzert hatte. Johannes schafft es diesem wunderbaren Stück eine gewisse Intimität und auch Intensität zu verleihen. Dieses aus der Feder von Johannes stammende Stück zeigt ganz deutlich, welchen Einfluss er auf die Musik von Tangerine Dream hatte.

Nach diesem eindringlichen Opener schweben zu Beginn von „Modulation Agents“, einem Stück das Jerome Froese und Robert Waters komponiert haben, Synthieflächen durch den Raum, um kurz darauf einem treibenden Sequenzerrhythmus Platz zu machen. Auch wenn diese beiden Stile (TD der Neuzeit auf TD der 80’er Jahre bzw. Schmoelling’s Solostücke im klassischen Stil vorgetragen) so hart aufeinander treffen, so passen sie doch ganz hervorragend zueinander.

Und genau so machten sie bei diesem Konzert munter weiter und zwar in einer so homogenen und perfekten Form, wie ich es selten erlebt habe. Und genau das spiegelt auch die CD wider. Da stehen beispielsweise ein „Catwalk“ vom 95’er „The Dream Mixes Album“ Stücken wie „Going West“ vom 84’er Soundtrack-Album „Flashpoint“ und „Matjora Is Still Alive“ vom 87’er Schmoelling-Soloalbum „Wuivend Riet“ gegenüber. Es folgen weitere bekannte Tangerine-Stücke wie „Towards The Evening Star“, „White Eagle“, „Beach Theme“ und „Choronzon“. Ein Stück hier herauszunehmen (außer den beiden von Johannes am Flügel gespielten Tracks) ist schier unmöglich, so homogen wirken die Stücke auf diesem Album.

Es ist auch auf CD beeindruckend, wie Johannes Schmoelling (Keyboards, Flügel, FX, Programmierung), Jerome Froese (Gitarren, GitarrenFX, Gitarren Sequencing, Programmierung) und Robert Waters (Keyboards, Software Operator, FX, Programmierung) es schaffen eine so unglaubliche, dichte Atmosphäre zu schaffen. Wenn sie jetzt noch eigene Stücke aufnehmen, worüber sie derzeit tatsächlich nachdenken, dann hat sich hier eine neue Supergroup im Elektronikbereich zusammengefunden.

Freunde guter Elektronikmusik und Fans der deutschen Elektronikpioniere Tangerine Dream kommen um diese Veröffentlichung nicht herum. Man spürt fast in jedem Ton, dass ein magischer Moment mitgeschnitten wurde und drei absolute Könner, allen voran Johannes Schmoelling am Werk waren. Nicht umsonst hat der Auftritt in den Niederlanden dafür gesorgt, das Loom beim Schallwelle-Preis 2011 zu den Nominierten in der Kategorie „Bester internationaler Act“ gehörten. Höchste Empfehlungsstufe.

Stephan Schelle, März 2012

 
   

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