Klaus Schulze – La Vie Electronique 12
 

Klaus Schulze – La Vie Electronique 12
mig / Made In Germany Music (2012)
(4 Stücke, 233:46 Minuten Spielzeit)

Das Dutzend der „La Vie Electronique“-Reihe ist am 26.10.2012 erreicht. In dieser Serie, die bei mig erscheint, werden die Stücke, die bisher nur auf den limitierten Klaus Schulze-Boxen „Silver Edition“, „Historic Edition“, „Jubilee Edition“ sowie die Bonusstücke der „Ultimate Edition“ enthalten waren, erneut herausgegeben. Mit Vol. 12 ist das Label, das die einzelnen Tracks in chronologischer Reihenfolge ihrer Entstehung veröffentlicht, in den Jahren 1992 und 1993 angekommen.

 


Die drei CDs umfassende Box, die – wie alle anderen CDs dieser Serie – im achtseitigen Digipack mit zwölfseitigem Booklet erscheint, bietet vier Longtracks des Klangvirtuosen Schulze. Zuvor sind diese Stücke auf den CDs Nummer 5 – 7 der „Silver Edition“ im Jahr 1993 herausgekommen. Die „Silver Edition“ war die erste limitierte Box, die 10 randvolle CDs beinhaltete und mit neuen Stücken sowie älteren Livemitschnitten aus den 70’er Jahren gefüllt war. Der große Erfolg und die Resonanz der Fans war es, die weitere Boxen folgen ließ.

Die CDs 1 und 2 beinhalten die drei Stücke („Movements“) von „Picasso geht spazieren“, einer Arbeit, die Klaus Schulze ursprünglich für einen Filmsoundtrack in den Jahren 1992 und 1993 komponiert hatte. Da die damaligen Filmproduzenten aber die Bezahlung schuldig blieben, zog Schulze das Material zurück und „schenkte“ es den Fans mit der Veröffentlichung der „Silver Edition“, die in einer Auflage von 2.000 Stück produziert wurde. Schon nach kurzer Zeit war diese Edition restlos vergriffen und ist seither nur teuer über Internetauktionshäuser zu bekommen.

In den Jahren 1992 und 1993 hatte Klaus Schulze, der Anfang der 90’er Jahre mit Samplings experimentierte, große Erfolge mit Veröffentlichungen seiner Auftritte in London und Köln, die unter den Titeln „Royal Festival Hall“ und „The Dome Event“ herauskamen. Vor allem das Konzert in Köln war außergewöhnlich, spielte Schulze dort doch vor ca. 10.000 Zuschauern auf der Plattform vor dem Kölner Dom.

CD 1 umfasst „First Movement“ von Picasso geht spazieren, das in elf Parts unterteilt ist. Auf diesem fast 79minütigen Stück finden sich typische Klänge, die Klaus auch bei den beiden oben erwähnten Konzertmitschnitten nutzte. Da werden neben der Sampletechnik auch herrliche Flächen und Sequenzerparts eingebaut und die Tracks von zahlreichen Breaks unterbrochen. Schon mit den ersten Momenten nimmt dieser Track gefangen. Ich muss zugeben, dass ich 1993 zunächst einige Probleme mit dieser Sampletechnik hatte, mittlerweile finde ich aber auch diese Phase unglaublich faszinierend und teilweise betörend. Und die Sequenzersounds, die streckenweise im Hintergrund laufen, sind einfach unverkennbar und einzigartig. Sie sind fest mit dem Namen Klaus Schulze verbunden.

Nahtlos hat Klaus die einzelnen Parts miteinander verwoben, so dass ein einziger Longtrack entstanden ist. Durch unterschiedliche Rhythmik und Melodik hält Klaus die Spannung über die volle Distanz sehr hoch. „First Movement“ wirkt mit seiner Instrumentierung und den Klangbildern und verschiedenen Melodielinien wie ein musikalisches Theaterstück. Wenn man sich als Hörer diesen Klängen hingibt, sieht man förmlich eine Geschichte vor dem inneren Auge ablaufen.

Auf CD Nummer 2 befinden sich die beiden Stücke „Second Movement“, das es auf etwas mehr als 15 Minuten bringt und „Third Movement“, das mit 60 Minuten zu Buche schlägt. Auf „Second Movement“ nimmt Klaus die Stimmung von „First Movement“ auf, führt sie aber wesentlich klassischer (mit Piano ähnlichen Klängen) und durch weniger Rhythmus ruhiger weiter. Deutlich ist aber herauszuhören, dass die Musik zur gleichen Zeit wie „First Movement“ entstanden ist.

In „Third Movement“, das in zehn Part unterteilt ist, geht Klaus dann wieder schneller zur Sache. Man hat das Gefühl, als wenn er schon beim ersten Part „Der Wal in Wut“ mächtig auf’s Gas drückt, denn die Melodie und die Rhythmik haben nun angezogen. Das ändert sich aber im nächsten Part schon wieder, wenn es sehr ruhig und mit leisen Tönen wieder mehr klassisch zugeht. Dies zeigt, wie unterschiedlich und abwechslungsreich Schulze seine Musik angelegt hat. Einiges mag zwar wie ein Soundtrack anmuten, doch funktioniert die Musik absolut auch ohne bewegte Bilder, die stellen sich eh beim Hören im Kopf ein.

CD Nummer 3 beinhaltet das 79minütige „The Musical Box“. Wer bei diesem Stück an das Genesis-Epos denkt, liegt allerdings falsch. Das Stück, das den Arbeitstitel „Meditation I“ auf dem Tonband trug, wurde 1993 aufgenommen. Klaus gab es kostenlos an die „Guttemplers“, einer Institution, die Alkoholikern hilft, ab. Gleichzeitig erschien es auf der „Silver Edition“. „The Musical Box“ stellt das Bindeglied zwischen Schulze’s Sampletechnik von „Royal Festival Hall“ bzw. „The Dome Event“ und dem Sound von zukünftigen Werken wie „The Wagner Desaster“ oder „In Blue“ dar, die er in den Jahren 1994 und 1995 herausbrachte. Für mich ist diese dritte CD das absolute Highlight dieser Box. Wunderbare, die Sinne benebelnde Synthieklänge und Sequenzerformationen schwingen da aus den Boxen. Das ist Musik die hypnotisiert und erst nach fast 80 Minuten wieder aus ihrem Klammergriff loslässt.

Wenn man sich als Hörer auf diese spannende musikalische Reise einlässt, dann wird man über fast vier Stunden hinweg faszinierende Klangwelten erforschen, die manchmal experimentell, meistens aber hoch melodisch sind. Es war damals ein Geschenk diese Musik auf Tonträger zu bekommen und so ist es auch mit dieser Veröffentlichung, die in dieser Form jedem Elektronikfreund zugänglich gemacht wird. Ein klasse Album, das die Sample-Phase des Elektronikmeisters Klaus Schulze reflektiert.

Stephan Schelle, November 2012

 
   

CD-Kritiken-Menue