Klaus Schulze – La Vie Electronique 1
 

Klaus Schulze – La Vie Electronique 1
spv / revisitedrec (2009)
(11 Stücke, 234:29 Minuten Spielzeit)

Der langjährige Manager des Elektronikpioniers Klaus Schulze, kurz kdm genannt, durchforstete in den 90’er Jahren Klaus’ Musikarchive. Dabei beförderte er eine ganze Reihe an Schätzen ans Tageslicht, die zwischen 1993 und 1997 in drei CD-Boxen mit jeweils 10 („Silver Edition“ und „Historic Edition“) bzw. 25 CDs („Jubilee Edition“) veröffentlicht wurden. Zum damaligen Zeitpunkt eine kostspielige Anschaffung, da die Sets um die 200 bzw. 500 DM teuer waren. Trotz des hohen Preises waren diese Boxen recht schnell vergriffen, so dass im Jahr 2000 mit der „Ultimate Edition“ eine Zusammenfassung der vorgenannten CDs, plus weiterer fünf CDs mit neuem Material, herauskam.

 

 


In den Boxen wurden viele Stücke nicht chronologisch zusammengestellt, sondern waren gut gemixt. Genau dieser Umstand machte es den Freunden der elektronischen Musik nicht leicht, denn es gibt Musikliebhaber, die nur einzelnen Phasen und nicht das Gesamtwerk des Schulze-Kosmos gut finden.

Anfang 2009 kommen nun die Stücke der „Ultimate Edition“ in chronologisch zusammengestellter Form jeweils auf 3-CD-Boxen heraus. Sie sind im achtseitigen Digipack aufgemacht. Der Titel dieser Reihe lautet „La Vie Electronique“. Neben den auf der „Ultimate Edition“ enthaltenen Stücken sollen einige der Boxen auch bisher unveröffentlichtes Material enthalten.

Den Anfang macht „La Vie Electronique 1“, auf der die Frühphase von Klaus Schulze’s Solowirken enthalten ist. Die Stücke der drei CDs stammen allesamt aus den Jahren 1968 bis 1972. Fans des Musikers wird vor allem die erste CD dieses Sets interessieren, denn hier ist neben einem bisher unveröffentlichtem kurzen Interviewauszug aus 1970 mit dem gut 25minütigen Stück „I Was Dreaming I Was Awake And Then I Woke Up And Found Myself Asleep“ (wieder so ein außergewöhnlicher Trackname aus kdm’s Feder) weiteres, bisher unveröffentlichtes Material enthalten.

Die CD zeigt, welch Vordenker der mutige und experimentelle Klaus Schulze am Anfang seiner Karriere war. Hier zeigt sich mit welcher Ideenvielfalt er an die Sache heranging, ohne schon auf großes Equipment zurückgreifen zu können. Die Aufnahmen entstanden unter anderem durch Verwendung von Orgeln und handelsüblichen Tonbandgeräten, bei denen Klaus auch zu seiner zuvor aufgenommenen Musik die nächste Stimme spielte. Heute spricht jeder von Homerecording, doch damals hatte es eine ganz andere Bedeutung. Es war komplizierter und aufwendiger als die moderne Technik es mittlerweile zulässt. Mit der hier enthaltenen Musik betrat Klaus musikalisches Neuland und hat so für viele folgende Musiker den Weg geebnet.

Da Klaus einiges auf Orgeln eingespielt hat, klingen viele der Einspielungen sehr sakral. Auch finden sich einige experimentelle, Stimmungen erzeugende Tracks, wie zum Beispiel „Es ist Abend“ oder auch „Study For Brian Eno“ auf den Silberlingen. Das vierteilige „Cyborgs Traum“ ist 1972, im Zeitraum von „Irrlicht“ und „Cyborg“ entstanden und verbindet die sakral wirkenden Orgeln mit herrlich flirrenden Sounds. Hier zeigt sich schon, dass Klaus eine Entwicklungsstufe emporgestiegen ist.

Die dritte CD wird von dem in den Jahren 1971 / 1972, das genau Datum lässt sich nicht ermitteln, entstandenen, 64minütigen Opus „Die Kunst, hundert Jahre alt zu werden“ bestimmt. Experimentell und mystisch beginnend zeigt sich auch hier im Verlauf des Stückes die Kombination aus sakralen Sounds und hypnotischen Rhythmen. Ein faszinierendes Stück Musik, das über die Gesamtlänge hin seine Stimmungen mehrfach wechselt. Man verfällt beim Hören quasi in einen Rausch. Anfang der 70’er wird dies sicherlich geeignete Musik zum Kiffen gewesen sein.

Wie schon bei den bisherigen Wiederveröffentlichungen aus Klaus Schulze’s Werk ist spv/revisitedrec wieder mit sehr viel Liebe und Hang zum Detail an die Sache herangegangen. Das Digipack enthält noch ein 20seitiges Booklet, in dem neben einigen Bildern aus der Zeit der Aufnahmen ausführliche Linernotes von kdm enthalten sind.

Für Fans (auch diejenigen, die das Material über die Editionen bereits kennen) ist dieses erste 3’er Set aufgrund des unveröffentlichten Materials und des sehr schönen Booklets sehr zu empfehlen. Elektronikfreunde, die gerade die experimentellere Phase von Klaus Schulze mögen und nicht so sehr auf seine Sequenzer orientierte Musik stehen, werden ebenfalls viel Freude an dem Werk haben.

Stephan Schelle, Januar 2009

 
   

CD-Kritiken-Menue