Johannssohn – Minoan Encounters
 

Johannssohn – Minoan Encounters
Eigenproduktion (2023)

(
4 Stücke, 74:27 Minuten Spielzeit)

Johannssohn nennt sich der aus Norden stammende Günter Grünebast. Der Musiker hat sein Debütalbum, das er mit analogen und digitalen Instrumenten bzw. Software eingespielt hat, „Minoan Encounters“ betitelt. Benannt hat sich der Musiker, der eine musikalische Ausbildung im Bereich Klavier, Kirchenorgel, Akkordeon sowie Harmonielehre, Tonsatz sowie zum D-Kirchenmusiker im Fach Orgel absolvierte, nach seinem Vater Johann Grünebast. Das Album hat er dann auch seinen verstorbenen Eltern Hedwig und Johann gewidmet.

 

 


„Minoan Encounters“ ist das erste Electronic Album dieser Art, das die bronzezeitliche minoische Kultur in ihrer Mythen umrankten und beeindruckenden Weise musikalisch widerspiegelt.

Im Booklet beschreibt Johannssohn die Thematik des Albums wie folgt:

Die minoische Kultur wird als älteste Hochkultur Europas bezeichnet und zählt zu den bedeutendsten der Menschheit. Ihre Blütezeit in der Bronzezeit mit der Errichtung einzigartiger Paläste und Siedlungen erstreckt sich etwa von 1900 v. Chr. bis 1450 v. Chr. Insbesondere auf den griechischen Inseln Kreta und Santorin konnten von den Archäologen viele minoische Stätten mit unzähligen Fundstücken freigelegt werden und sind der Öffentlichkeit weitestgehend zugänglich.

Minoische Paläste waren Sitz einer religiösen und politischen Elite, vermutlich mit einer priesterlichen oder königlichen Herrscherfamilie, die über einen Stadtstaat bzw. Bezirk regierte. Die genaue politische Regierungsform ist jedoch unbekannt. Die Paläste dienten der Verwaltung, der Lagerung und dem Umschlag von Gütern. Zudem dienten sie auch religiösen Kulthandlungen, um die sich viele Mythen ranken, wie z.B. dem Mythos um den König Minos als Sohn des Zeus und dem Stiermenschen Minotauros. Die minoischen Paläste waren einzigartig in ihrer Architektur. Während zur gleichen Zeit in Nordeuropa unsere Vorfahren noch Keulen-schwingend durch die Wälder zogen, wiesen die Paläste der Minoer bereits ausgefeilte Bewässerungs- und Abwassersysteme auf. Die Paläste waren so gestaltet, dass eine Art Belüftungssystem stets für ein angenehmes Klima sorgte. Ein ausgeklügeltes System von Öffnungen in Wänden und Dächern bewirkte eine ausgewogene Lichtdurchflutung. Die Räume waren teilweise mit großflächigen und farbigen Fresken versehen.

Der Grund für die musikalische Umsetzung dieser Thematik liegt darin, dass Günter Grünebast mit seiner Frau schon mehrfach Urlaub auf Kreta gemacht hat und bei der Besichtigung von Grabungsstätten der minoischen Paläste überlegte, wie man dies in Musik umsetzten könne. Das Ergebnis sind vier Longtracks, die jeweils die 16-Minuten-Marke sprengen.

Die vier minoischen Paläste, für die Johannssohn eine musikalische Führung vertont hat, sind die Paläste in Malia, Phaistos, Knossos und Zakros auf der griechischen Insel Kreta. In den vier Stücken wandelt man förmlich durch die Ruinen der Grabungsstätten. Dazu hat Johannssohn die Stücke unterteilt und auch mit Zeitangaben zu deren Beginn in dem jeweiligen Stück im Booklet aufgeführt. Einzeln anwählen kann man die Parts aber nicht, daher ist eine detaillierte Beschreibung der vier Tracks auch nicht sinnvoll.

Johannssohn hat in die Stücke unglaublich viele Ideen hineingebracht, aus denen man gleich mehrere Alben hätte produzieren können. Die Parts in den Stücken reichen von 19 Sekunden bis hin zu mehreren Minuten Länge. Beispielhaft für das Album möchte ich den Eröffnungstrack, das 17:15minütige „The Palace Of Malia“ beschreiben, der in zehn Parts unterteilt ist.

Der Track beginnt zunächst mit Meeresrauschen und entsprechend ist dieser erste Part auch mit „From The Sea To The Palace Via The North Entrance“ betitelt. Daraus bilden sich dann recht hymnische Sounds, die mit flirrenden Effekten versehen sind. Es klingt als würde man in eine andere Welt eintreten. Kurz vor Ende kommen Rhythmusmuster auf, die dann ab Minute 2:10 in einen Dubartigen Part übergehen, der mit „Walking Past The Storerooms To The North Court“ betitelt ist. Das ist alles sehr harmonisch und rhythmisch angelegt. Ab Minute 3:19 startet dann der Part „The Tower Court“, der neben den flirrenden Sounds nun auch eine sehr schöne Melodielinie bereit hält. Das klingt nach dem Sound der britischen Elektronikmusiker.

Bei Minute 4:17 steigt der Track dann in den Part „In The Central Court“ ein. Diesen Part hat Johannsson mit einer betörenden Melodie und einem druckvollen Beat versehen. Dabei zischen und zirpen die Synthies immer mal wieder und verzieren diese herrliche Musik. Ein toller Track.

Und ab Minute 5:46 ändert sich das Bild im Part „Kernos“ schon wieder und es wird atmosphärischer. Die zunächst sphärischen, mystischen Klänge werden dann nach wenigen Momenten von einer sehr schönen stoischen Sequenzerharmonie abgelöst, in die sich dann eine Melodie und Flächen mischen. Das wirkt teilweise wieder recht hymnisch und wird dann von einem fetten Orgelsound - wie in einer Kirche aufgenommen - ergänzt. So bekommt das Stück noch einen sakralen Charakter.

Ab Minute 8:29 geht es dann mit „Sanctury“ weiter, in dem eine wohlige und auch spannende Atmosphäre aufgebaut wird, die ab Minute 9:24 in den Part „The Grand Staircase And Loggia“ übergeht. Dieses Stück bietet auf flächigen Sounds eine verspielte Melodielinie, die sanft in einen Gänsehaut treibenden Teil wechselt. Auch klingt hier eine Spur Prog-/Symphonicrock durch.

Mit „Eight Granaries“ geht es dann ab Minute 12:16 weiter, das klanglich mit perlenden Klängen und Streichersounds direkt anschließt. Das hat wieder was Hymnisches und ist sehr eingängig gemacht. Ab Minute 14:39 geht es dann wieder „Back To The Central Court“. Da zirpt und zischt es und wechselt dann für Momente in die Melodielinie, die Johannsson schon bei „The Tower Court“ gespielt hat. Das führt dann in den letzten Part ab Minute 16:39, der mit „We Leave The Palace Of Malia“ betitelt ist. Hier wird der Track langsam ausgefaded.

Und so grandios und abwechslungsreich, wie Johannssohn diesen ersten Track zusammengestellt hat, so hat er auch die restlichen drei Tracks aufgebaut. Da kommen dann auch mal griechische Klänge auf. Die Musik ist aber nicht mit der „Berliner Schule“ oder anderen Künstlern zu vergleichen, dazu ist sie zu abwechslungsreich und mit unterschiedlichen Facetten versehen.

Günter Grünebast aka Johannssohn hat mit „Minoan Encounters“ ein tolles Elektronikalbum veröffentlicht, das als CD in einem sechsseitigen Digipak mit 16seitigem Booklet erschienen ist. Musikalisch ist es nicht nur ein Rundgang durch alte griechische Ausgrabungsstätten, sondern auch eine packende, von unglaublich vielen Ideen strotzende Mischung der unterschiedlichsten Musikstile. Ein tolles Album, dem hoffentlich noch weitere Veröffentlichungen folgen werden.

Stephan Schelle, Dezember 2023

 
   

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