Joerg Dankert - Messages
 

Joerg Dankert - Messages
Eigenvertrieb (2022)
(
9 Stücke, 52:37 Minuten Spielzeit)

Erst Ende Juli ist das letzte Album von Elektronikmusiker Joerg Dankert erschienen, das den Titel „Between The Meantime“ trug, da legt er am 26. November schon mit einem weiteren Album nach. Das neue Werk nennt sich „Messages“. Thematisch geht es um Nachrichten, die über die Kurzwelle versendet werden. Das Cover, das Zahnräder der Verschlüsselungsmaschine Enigma sowie Antennen aller Art miteinander verknüpft, hat Joerg Dankert selbst entworfen. Das passt perfekt zur Thematik.

 

 


Joerg erklärt dazu: Die Geschichte dieses Albums ist sowohl alt, als auch brandaktuell, denn durch den Ukraine-Krieg vor der Haustür habe ich ein altes Hobby, das Hören auf der Kurzwelle, wieder entdeckt. Dort gibt es immer wieder Funk-, Morse- und Datenverkehr verschiedenster Militärs und deren Dienste zu hören.

Im Alter von zehn Jahren faszinierte es ihn, bei seiner Oma über ein altes Röhrenradio exotische Musik, komische Geräusche und manchmal Stimmen zu hören. Letztere stammten von Funkverkehr, wie er später herausfand. Später wurde diese Faszination auch beruflich für ihn wichtig, denn er bekam ein Angebot in der Armee und zwar in der elektronischen Kampfführung zu arbeiten.

In der Freizeit hörte ich damals mit einem Weltempfänger der Welt zu. In den 80er Jahren war sehr viel auf der Kurzwelle los. Nicht nur militärischer Funk- und Morseverkehr, sondern auch unzählige internationale Radiosender von allen Kontinenten. Dort konnte man Synthesizer-Musik aus Frankreich, England und der Sowjetunion hören. Im Verlaufe der Jahre, im Zuge der technologischen Entwicklung, verlor die Kurzwelle jedoch massiv an Bedeutung. Immer mehr Sender stellten den Betrieb ein und immer mehr Dienste wichen auf Satelliten aus.

Eine Form der Nachrichten auf der Kurzwelle gibt es auch heute noch. Zahlensender, die in unterschiedlichen Sprachen, codierte Nachrichten aussenden. Früher gab es unzählige davon und manche mit interessanten Kennungen, beispielsweise Melodien und Tonfolgen. Ja, es sind wenige geworden, aber sie sind noch da. Neben dem sprachlichen Funkverkehr gibt es unzählige andere Techniken, die genutzt werden. Fernschreiber, Morsecode, Telefax, … und verschlüsselte digitale Datentransfersysteme geben unterschiedliche Geräusche, Sounds und Nachrichten in den Äther.

Einige der aktuell in den Zeiten des Ukraine-Krieges ausgesendeten Nachrichten habe ich gehört, aufgenommen und in die Musik eingebaut. Manche Melodien und Sounds sind das Ergebnis der Inspiration durch das Zuhören. Es ist unklar, welche Nachrichten inhaltlich übersendet werden, da der Code nicht geknackt ist – zumindest hat niemand das öffentlich bekannt gegeben -, aber es werden persönliche Nachrichten an echte Spione oder aber für ein bestimmtes Land agierende Menschen gesendet.

Auf wenigen Frequenzen weiß man, dass es sich um die Kommunikation von strategisch wichtigen Einheiten handelt. Seien es Transport-Einheiten oder Bomberstreitkräfte mit nuklearen Waffensystemen. Mögen sie niemals in Echtzeit aktiv und genutzt werden, denn dann würde unsere Welt untergehen. Das Trainieren dieser Kommunikation auf diesen festen Frequenzen kann man jeden Tag hören. Die im Album eingearbeiteten Nachrichten sind alle echte Nachrichten. Im letzten Stück ist ein Funksignal zu hören, welches die Ukrainer eingesetzt haben, um russischen Funkverkehr zu überlagern und damit zu stören.

Die neun Stücke auf dem Album hat Joerg in der Zeit von März bis November 2022 eingespielt. Gestartet wird mit dem vierminütigen „Korsar Is Calling“. Hier hat Joerg Dankert sehr mysteriöse und düstere Klänge mit gesprochenen Textfetzen einer weiblichen Stimme verbunden. Das hat etwas Bedrohliches und zugleich Flehendes, da es wie ein Hilferuf wirkt. Im weiteren Verlauf kommen einige Harmonien auf, die dann soundtrackartig wirken.

Dem folgt das 4:21minütige „Fading Contact“. Das beginnt mit atmosphärischen und auch wieder recht düsteren Synthklängen. Joerg baut hier Stimmungsbilder auf, die Melodien vermissen lassen. Erst ab der Hälfte kommen flächige, teils schwebende Harmonieansätze auf. Das hat wieder sehr viel von einem Soundtrack.

Auf 6:21 Minuten Spielzeit bringt es dann „Sad Sounds“. In der ersten Minute baut Joerg zunächst wieder Stimmungsbilder auf, die wieder etwas bedrohlich wirken. Danach schält sich aber eine leicht melancholische Harmoniefolge heraus, die sanft dahinschwebt. Ein wunderbarer Track.

Das 3:38minütige „Urgent Utility Message“ wird dann von Sequenzerrhythmen bestimmt und ist eine Mischung aus proggigen Sounds und John Carpenter-Feeling. Das gefällt mir sehr gut.

Mit einer weiblichen Stimme und Rauschen startet Joerg dann in den 5:18minütigen Track „Nice Voice“. Schnell kommen herrliche Synthflächen auf und bieten schwebende Musik, die wie für einen Flug durch das All gemacht ist. Ein sehr erhaben klingender Track. Das 3:10minütige „Humerous“ zeigt sich dagegen wieder etwas rhythmischer und hat etwas von einem John Carpenter-Soundtrack.

„A Little Melody“ bietet Arpeggios und eine schöne, sanfte Melodieführung. Dahinein baut Joerg dann Sprachfetzen ein. Das hat Flair und gehört zu den Highlights des Albums. Kollagenartig zeigt sich dagegen „Emergency Action Message“.

Das Album endet mit dem 16:14minütigen Track „Mil Comms But Hope“. In diesem Stück hört man Rauschen, Stimmen, bedrohlich wirkende Sounds und im Mittelteil eine sehr schöne Harmoniefolge mit Sequenzerrhythmus. Und auch noch eine Spur Vangelis-Sound ist in dem Stück zu finden.

Joerg Dankert geht auf dem neuen Werk „Messages“ nicht so melodisch vor, wie er es auf „Between The Meantime“ gemacht hat. Hauptsächlich werden Stimmungsbilder erzeugt und diese mit den Aufnahmen aus dem Kurzwellenbereich ergänzt. Das klingt teilweise ungewöhnlich, dann wiederum sehr spannend und wird immer mal wieder von Harmoniebögen unterstützt. Das ist Musik, die man in Ruhe auf sich wirken lassen muss, dann entfalten sich die harmonischen Momente besonders stark.

Stephan Schelle, Dezember 2022

 
   

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