Jean-Michel Jarre – Electronica 1 – The Time Machine
 

Jean-Michel Jarre – Electronica 1 – The Time Machine
Columbia / Sony Music (2015)

(
16 Stücke, 68:29 Minuten Spielzeit)

Am 16.10.2015 erschien das neue Album des französischen Elektronikpioniers Jean-Michel Jarre. Es handelt sich bei „Electronica 1 – Time Machine“ um ein Albumprojekt, bei dem Jarre eine Kollaboration mit den verschiedensten Künstlern eingegangen ist. Das Projekt ist auf zwei Alben ausgelegt, bei denen Jarre mit insgesamt 30 Künstlern zusammengearbeitet hat. Auf dem ersten Teil sind 15 Kollaborationen auf insgesamt 16 Stücken enthalten, die restlichen sollen auf dem zweiten Teil im Frühjahr 2016 erscheinen.

 

 


Jean-Michel Jarre’s Karriere ist einzigartig, hat er doch mit seinem Frühwerk „Oxygene“ Musikgeschichte geschrieben. Es folgten weitere hochwertige Alben wie „Equinoxe“ oder „Magnetic Fields“ und eine beachtliche Zahl von über 80 Millionen verkauften Tonträgern. Seine Konzerte mit Millionen von Zuschauern in den Docklands von London, vor dem Eifelturm in Paris, in der Verbotenen Stadt Beijing, in Moskau, in Warschau und vor den Pyramiden in Gizeh sind unvergessen. Seine Musik inspirierte darüber hinaus zahlreiche Künstler. Somit nimmt Jarre eine besondere Stellung in der elektronischen Musik ein.

Acht Jahre sind seit seinem letzten Studioalbum „Téo & Téa“ vergangen, bei dem er vergeblich versuchte den aktuellen Zeitgeist mit seinem Musikstil zu verbinden. Umso gespannter konnte man auf das neueste Werk sein, bei dem er unter anderem mit so bekannten Musikern wie Air, Vince Clarke (Depeche Mode, Yazoo), Moby, Pete Townshend (The Who), Tangerine Dream, Laurie Anderson, John Carpenter (Regisseur und Musiker) sowie dem bekannten Pianisten Lang Lang zusammengearbeitet hat. Das zwölfseitige Booklet im vierseitigen Digipack hält einige Infos zu jedem Track bereit.

Instrumentaltracks wechseln sich auf dem Album mehrfach mit Gesangsstücken ab. Los geht es mit dem Titeltrack, der zusammen mit Boys Noize entstanden ist. Hier werden technoartige Rhythmen und Sounds mit leichten Jarre-Klängen vermischt. Das erinnert an „Téo & Téa“, ist aber besser gemacht. Das folgende „Glory“ (mit M83) ist ungewöhnlich, enthält es doch Gesang und schweift somit in die Popecke. Für Jarre ungewöhnlich, funktioniert als Song aber gut.

Da ist „Close Your Eyes“ mit Air aus anderem Holz geschnitzt. Die zunächst minimalistischen Klänge ändern sich nach einigen Momenten und gehen in einen technoiden Rhythmus á la Kraftwerk über um dann mit weiteren Sounds inkl. Vocodergesang ergänzt zu werden. Track 4 und 5 gehören zusammen, sind sie doch beide mit Vince Clarke entstanden. „Automatic (Part 1)“ und „Automatic (Part 2)“, wie die beiden Tracks betitelt sind, haben dann auch etwas von Electropop. Wobei Teil eins noch recht ruhig daherkommt und Teil zwei mächtig abgeht und für die Tanzfläche geeignet ist.

Im Track mit Moby, „Suns Have Gone“ kommt gar eine Spur Gothic/Wave auf. Unglaublich technologisch ist die Zusammenarbeit mit The Who-Gitarrist Pete Townshend geraten, der auf „Travelator (Part 2)“ auch singt. Dieser tanzbare Track gehört zu den Highlights des Albums. „Zero Gravity“ ist eine Vermischung der Stile von Jarre und Tangerine Dream, zwei Ikonen der elektronischen Musik. Zugleich stellt dieser Track auch eine der letzten Arbeiten von Edgar Froese dar, der Anfang 2015 verstarb. Ein weiteres Highlight des Albums.

Bei der Zusammenarbeit mit Laurie Anderson treffen typische Jarre-Rhythmen auf den unterkühlten Gesang von Laurie. Ebenfalls ein toller Track. „A Question Of Blood“ mit John Carpenter erstrahlt in hymnischen Sounds und könnte gut für einen Soundtrack herhalten. Das abschließende „The Train & The River“ verbindet dann die elektronischen Spielereien Jarre’s mit der filigranen Fingerfertigkeit des Pianisten Lang Lang. Der Track hat einen Rhythmus, der nach einem fahrenden Zug klingt und zeigt deutliche Elemente früherer Jarre-Werke.

Es ist schwierig zu sagen welchen Anteil Jean-Michel Jarre an den einzelnen Stücken hatte und welche Parts dem jeweiligen Kollaborateur zuzuschreiben sind. Als Fazit bleibt aber eine hochspannende Veröffentlichung, die immer wieder neue Facetten der elektronischen Musik mit bekannten Elementen sowie modernen Strömungen aufzeigt. Ein wirklich gutes Spätwerk von Jarre, das neugierig auf den zweiten Teil macht.

Stephan Schelle, Oktober 2015

 
   

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