Jean-Michel Jarre – Electronica 2 – The Heart Of
Noise Gut ein halbes Jahr nach dem ersten Teil von Jean-Michel Jarre’s Kollaborationsalbum „Electronica 1 - The Time Machine“ erscheint am 06.05.2016 der zweite Teil unter dem Titel „Electronica 2 - The Heart Of Noise“. Genau wie beim ersten Teil hat es Jarre geschafft wieder zahlreiche Künstler zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. |
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Bedrohliche,
pumpende Klänge starten in „The Heart Of Noise Part 1“, das Jarre
zusammen mit Rone aufgenommen hat. Das Stück entwickelt sich schnell in
einen sehr hymnischen Track, der Soundtrackqualitäten aufweist.
Symphonische Klangfarben vermitteln eine Stimmung wie Vangelis‘
„Chariots Of Fire“. Diesen ersten Track führt Jarre dann nahtlos in
„The Heart Of Noise Part 2“ weiter. Daraus macht er eine sehr
rhythmische, tranceartige, tanzbare Nummer. Das ist schon mal ein sehr guter
Einstieg in das Album. „Brick
England“ entstand zusammen mit The Pet Shop Boys. Hier treffen leicht
angehauchte Jarre-Sounds auf den typischen Pet Shop Boys-Stil. Springende
Synthiesounds werden in „These Creatures“ von der Stimme von Julia
Holter begleitet. Das ist atmosphärischer Pop mit Elektronikeinschlag.
Atmosphärisch beginnt auch „As One“, bei dem Primal Scream mitwirkten.
Doch nach anderthalb Minuten schält sich ein treibender Dancetrack heraus,
der gut abgeht. Im letzten Drittel kommt dann auch noch Vocoder verfremdeter
Gesang zum Einsatz. Könnte auf jeder DJ-Party zum Einsatz kommen, hat aber
nicht wirklich was von Jarre. Electropop/Wave
kommt dann mit Gary Newman auf, der bei „Here For You“ zum Zuge kommt.
Das ist typisch Newman. Symphonisch mit zirpenden Jarre-Sounds wird es dann
bei der Zusammenarbeit mit dem deutschen Filmkomponisten Hans Zimmer. Welche
Teile der Oskar prämierte Zimmer beigetragen hat, lässt sich nur erahnen.
Hier dominieren eindeutig die Klangfarben des Franzosen. Es
ist wahrscheinlich der beste Werbeschachzug, den man für dieses Projekt
arrangieren konnte. Edward Snowden ist immer noch sehr präsent, hat sich
aber bisher auf keine Anfrage von Künstlern zu einer Mitarbeit hinreißen
lassen. In einem Interview mit ihm und Jarre war zu hören, das er
Elektronikmusik mag und diese auch gut zum Thema Datenspeicherung und seine
Folgen passt. Aus diesem Grund hat er sich bereit erklärt etwas zu der
Musik des Stückes „Exit“ beizutragen. „Ich
hatte die Idee, einen schnellen Techno-Track zu kreieren, der die konstante
und hektische Sammelsucht nach Daten, und die geradezu besessene Suche nach
mehr und mehr Informationen portraitieren sollte. Die Musik verband ich dann
mit der vollkommen übergeschnappten Jagd und Verfolgung, um Leute wie
Edward Snowden aufzuspüren“, sagt Jarre über „Exit“.
Und so mutiert „Exit“ in der Tat in einen pulsierenden Track, der fast
ausschließlich aus harter Rhythmik zu bestehen scheint. Snowden selbst hat
einige gesprochene Texte im zweiten Teil des sechsminütigen Stückes
beigesteuert. Mit
den Beats im von Peaches gesungenen Stück „What You Want“ bewegt sich
Jarre dann sogar im Umfeld von Rap. Da wird sich so mancher Elektronikfreund
fragen, ob das in den Jarre-Kosmos passt. Sicherlich geht Jarre damit ein
Risiko sowie eine kommerzielle Chance ein. „Gisele“, das Jarre mit
Sebastien Tellier eingespielt hat, gefällt mir da schon wesentlich besser.
Es verbindet typischen Jarre mit modernen Klängen. Durch den Gesang geht
aber auch dieses Stück stark in die Poprichtung. Mit
einem Sprachsample beginnt „Switch On Leon“. Das mit The Orb entstandene
Stück hat tolle Rhythmen und Harmonien, die immer wieder durch Samples und
Effekte durchbrochen werden. Hier wird die Experimentierlust ausgelebt.
Eines der Highlights - neben dem eröffnenden Titeltrack (Part 1 und 2)
sowie der Nummer mit Hans Zimmer Den
Abschluss des Albums bilden dann „Falling Down“, ein Solostück von
Jarre, bei dem er selbst singt (durch Vocoder verfremdet) und die
zweieinhalbminütige Originalversion von „The Heart Of Noise“, die Jarre
allein eingespielt hat. Jarre
hat auf dem zweiten Teil seiner „Electronica“-Reihe den Fokus mehr in
Richtung Popmusik ausgelegt. Zeigten sich auf der ersten Ausgabe noch hoch
spannende Strömungen unterschiedlichster Elektronikstile, so kommen auf dem
aktuellen Album mehr gesungene Tracks zum Tragen, die auch gut in Clubs
aufgelegt werden können. Der reine Elektronikpurist sollte hier zunächst
Probehören. Stephan Schelle, April 2016 |
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