Ian Boddy - Slide
 

Ian Boddy - Slide
DIN (2008)
(9 Stücke, 56:17 Minuten Spielzeit)

Der britische Elektronikmusiker Ian Boddy legt mit seiner im November 2008 erscheinenden CD „Slide“ bereits sein 16. Soloalbum vor. Ian ist bekannt für seinen sehr speziellen Sound, den er immer weiter ausarbeitet. So ist es auch kein Wunder, das er nach 28 Jahren seiner musikalischen Karriere auf dem aktuellen Album wieder neue Dinge ausprobiert. Er nutzt bei seinen Stücken unter anderem eine moderne analoge Version eines Keyboards von einem im Jahr 1928 von Ondes Martenot erfundenen Gerät. Dieses ermöglicht ihm sanft zwischen den Noten zu gleiten und kreiert darüber hinaus ein natürliches Vibrato (periodisch wiederkehrende, geringfügige Veränderung der Frequenz eines gehaltenen Tons).

 


„The Probability Of Doubt“ ist der erste Titel der CD, der den Hörer zunächst in einen buddhistischen Tempel zu entführen scheint, denn es werden zunächst Klänge wie mit Klangschalen erzeugt, geboten. Dann kommen einige Synthiesounds hinzu, ohne jedoch einen Stimmungswechsel zu erzeugen. Dazu gesellen sich noch Klänge wie von Windspielen sowie von einem Thereminartigen Klanggebilde (wahrscheinlich von dem oben erwähnten analogen Gerät). Wenn ich die Augen schließe sehe ich mich auf dem Dach der Welt in die weite Ferne blicken. Nach gut fünf Minuten unterbricht ein recht scharfer, metallischer Ton dieses Traumgebilde recht harsch.

„Lost And Found“ klingt sehr surreal und wieder ein bisschen nach Theremin. Doch nach wenigen Momenten kommt ein Rhythmus, der nun endlich die Handschrift von Ian Boddy, die man von so vielen Produktionen kennt, aufzeigt. Schon erklingt eine Melodie und wir sind im Boddy-Kosmos angekommen. Eine einfache, aber eingängige  Melodie, gepaart mit elektronischer Drumprogrammierung, geben jetzt den Ton an.

Ein absolut faszinierender Sound erwartet uns beim Titelstück, das sofort unter die Haut geht. Melodielinien und Rhythmus gewürzt mit diesem Thereminartigen Sound sorgen für eine Gänsehaut. „Tourmaline“ beginnt, als hätte Ian einen elektronisch erzeugten Bahnhof geschaffen. Das klingt zunächst, als würde man vor einer Dampflok stehen. Obwohl auch flirrende Klänge hinzukommen, die mich eher an eine Unterwasserszenerie erinnern, hat das Stück doch eher etwas von einer Bahnfahrt. Ich sehe mich auf der Strecke im Zug aus dem Fenster schauen. Wenn das Signal der Lok ertönt, hat man das Gefühl einen Tunnel zu durchqueren. Nach dem atmosphärischen Beginn spinnt Ian eine tolle eingängige Melodie.

Im Anschluss an das teils verträumt, atmosphärische „A Moment Of Gliss“ geht es bei „Yesterdays Memories“ wieder sehr melodiös und rhythmisch zu. Der stampfende Sequenzerrhythmus und die Melodielinien nehmen auch sofort gefangen. Hatte ich schon eine Gänsehaut erwähnt? Wenn nicht, hier kommt sie garantiert.

Bei „Mechamystical“ wird es jetzt technokratisch, denn es kommen harte, metallisch klingende Sounds zum Einsatz. Das hört sich an, als würde man im Innern eines großen Schiffes auf die Metallwände schlagen. Diesem harten Sound setzt Ian weiche eingängige Synthiemelodien entgegen. Das klingt einfach nur toll. In „Troubadour“ bietet Ian fast technoartige Rhythmen, während der letzte Track „The Possibility Of Existance“ sanft und sphärisch das Album ausklingen lässt.

Das neue Album von Ian Boddy kann ich vorbehaltlos empfehlen, da es trotz oder gerade wegen des Einsatzes des oben erwähnten analogen Synthies so ungewöhnlich und doch vertraut klingt. Wer die Musik von Ian mag, der kommt um sein neues Album nicht herum. Auch nach 28 Jahren schafft er es immer noch durch frische Sounds sowie faszinierende Rhythmen und Melodielinien zu überzeugen.

Stephan Schelle, November 2008

 
   

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