Harald Nies – Nighttrain
 

Harald Nies – Nighttrain 11PM Top 7AM
MellowJet Records (2013)
(8 Stücke, 66:29 Minuten Spielzeit)

Mit seinem 2013er Album „Nighttrain“ erzählt uns Harald Nies die Fahrt in einem Nachtzug. Es ist dabei egal wo Sie beginnen und wohin die Reise geht. Der Weg ist das Ziel. Während dieser Reise erleben Sie die Stille und Ruhe der Nacht. Lichter huschen vorbei. Es geht voran. Gedanken verschwimmen. Gefangen in diesen Welten hat Schlaf zunächst keine Chance, bis sie sich dann doch den monotonen Geräuschen des Nachtzugs hingeben. Diese Reise gibt einem die Zeit und die Ruhe über das eigene „Ich“ nachzudenken und man weiß „das tut mir gut“. Sie fahren in den Sonnenaufgang, den sie so schon lange nicht mehr wahrgenommen haben. Sie steigen aus und freuen sich auf die Rückreise in ihrem „Nighttrain“. So lautet der Pressetext.

 


Also steigen wir mal ein, in den Nachtexpress, dessen Fahrt, so sagt es der Untertitel der CD, abends um 23:00 Uhr beginnt und morgens gegen 7:00 Uhr endet.

Mit „Evening Of Departure (11pm)“ beginnt die Reise im Nachtzug zunächst sanft und mit Orgel ähnlichen Klangmustern. Dann kommen rhythmische Keyboardsounds auf, die das Fahren eines Zuges suggerieren. Durch die Klangfarbe habe ich das Gefühl, als würde ich in den Sonnenuntergang fahren, so wie das Cover es auch zeigt. Nach gut drei Minuten steigt die Dynamik der Musik an und Melodiebögen und Rhythmik lassen mich durch die Fenster des Zuges in den aufkommenden Nachthimmel schauen. Das klingt einfach gut und lässt mich zur Ruhe kommen. Immer mehr nimmt der Zug in diesem ersten Stück an Fahrt auf und Harald bringt das mit tollen Melodien zum Ausdruck, in denen auch durchaus mal eine Melodielinie wie bei Kraftwerk zart durchscheinen darf.

Im zweiten Stück „No More Homesick (11:30pm)“ lässt Harald dann die Sequenzer los und der Zug scheint nun noch schneller zu fahren. Darunter mischt er dann herrliche Flächenmuster, aber der Sequenzer bleibt die ganze Zeit über tonangebend. Auch in „Leaving Myself Behind (never)“ sind es die Sequenzer, die für den nötigen Rhythmusboden sorgen. Hier geht Harald aber so rhythmisch vor, dass man kaum die Füße ruhig halten kann. Versehen ist das Ganze mit einer sehr schönen Melodie.

Ruhiger geht es dann im Stück „Tunnel Vision (1am)“ zu. Hier ist der Rhythmus moderat und dazu spielt Harald betörende Melodien und Klänge. An einigen Stellen scheint dann auch die „Berliner Schule“ durch. Hymnisch und erhaben geht es dann im Stück „Still Unfatigued (2am)“ zu. Hier herrschen dann zunächst auch Streichersounds vor, die mich an die Fahrt vorbei an majestätischen Bergen erinnern. Im weiteren Verlauf kommt ein Rhythmus hervor, der ansatzweise Ähnlichkeiten zu Harald Grosskopf’s „So weit, so gut“ aufweist. Auf diesen setzt Harald dann zarte Melodiebögen. Es folgen das verträumte „Nightdream (3am to 5am)“, das zunächst schwebende und dann durch die E-Gitarre rockige „Blurred Sunset (6am)“ bei dem die Sonne aufgeht und das abschließende „Good Bye My Nighttrain (7am)“, das durch die Kombination aus Piano, Synthie und E-Gitarre wie eine wehmütige Elektronik/Rocknummer klingt.

Mit Harald Nies gehe ich gerne auf Reisen, vor allem wenn es im „Nighttrain“ ist, denn er ist in der Lage die Atmosphäre einer nächtlichen Zugfahrt perfekt einzufangen. Eine sehr schöne Produktion, die auch ohne Zug Spaß macht.

Stephan Schelle, Oktober 2013

 
   

CD-Kritiken-Menue