Hagen von Bergen & Christian Fiesel - Sperrgut
 

Hagen von Bergen & Christian Fiesel - Sperrgut
BiZa Records (2017)
(
2 Stücke, 66:55 Minuten Spielzeit)

Die Idee zu einer Zusammenarbeit zwischen Hagen von Bergen und Christian Fiesel reifte Ende 2016, nachdem die beiden ihre Doppelalben „Der dauernde Fluss“ und „Hagen’s Delight“ auf Hagens BiZa-Records-Label veröffentlichten. Beide Musiker stehen für einen etwas sperrigen Elektroniksound, da passt der Titel der CD „Sperrgut“ sehr gut, denn ihre Sperrigkeit ist auch auf dem gemeinsamen Werk Programm.

 

 


Zwei Stücke von jeweils mehr als 30 Minuten Länge haben sie auf das Album gepackt. Jeweils ein Stück stammt aus der Feder von einem der beiden Protagonisten. Herausgekommen sind zwei lange Stücke der „Hunsrücker Schule“, die gegen viele gängige EM-Klischees gebürstet ist und auch eine Art musikalischer Brückenschlag zwischen den beiden genannten Doppelalben sein soll. Die beiden Stücke sind aber auf ihre Weise so homogen, dass sie nicht klingen, als wären zwei Musiker jeweils mit einem Stück am Werk gewesen. Das zeigt auch, wie musikalisch nah beieinander beide Musiker sind.

Ausgangspunkt waren zahlreiche Samples, die Hagen überwiegend  auf Flugreisen aber auch im heimischen Kontext aufgenommen hatte und die beide Musiker nach eigenem Gusto verarbeiten und in einen musikalischen Kontext stellen sollten. Die Musik ist voller Brüche, voller Samples (vor allem aus dem Flugbereich) und ist ein Trip via Kopfhörer, daher auch der Titel.

Die beiden Titel tragen die Namen „Anschnallzeichen“. Der 36:32minütige Part 1, mit dem die CD beginnt, stammt von Christian Fiesel. Zunächst hört man ein schlagendes Geräusch zu dem sich einige synthetische Sounds gesellen. Das klingt anfangs bedrohlich, da die Lautstärke zunimmt. Man hat das Gefühl. als komme etwas auf einen zu. Dann aber werden hellere Klänge und Flächen beigemischt. Von Anfang an werden verschiedene Sounds miteinander kombiniert, die nicht melodische sind, aber doch auf eine unerklärliche Art und Weise harmonisch wirken. Das wirkt auf mich wie ein musikalisches Hörbuch, bei dem kein Text, dafür die Story durch die unterschiedlichen Klänge erzählt wird.

Der Track entwickelt sich immer weiter und wechselt in Rhythmik und Sounds und spielt darüber hinaus auch mit der Dynamik und Lautstärke. Eingestreut werden immer mal Klänge, die einem bekannt vorkommen. Im letzten Teil setzt Christian dann noch einige melodische Elemente ein, die aber abgehackt klingen. Sägende Gitarrensounds spielen dabei auch eine Rolle. Der erste Track ist sperrig aber hochgradig spannend. Es wird auf eine nicht beschreibbare Art eine fesselnde Stimmung erzeugt.

Mit einer Stimme, die auf den Ausgang hinweist und die sich in einigen Echoeffekten und verschiedenen Sprachen zusammensetzt, beginnt dann Hagen von Bergen seinen zweiten, 30:27minütigen Part von „Anschnallzeichen“. In dieses scheinbar stimmliche Chaos spinnt Hagen dann einigen ungewöhnliche rhythmische Synthieklänge ein. Das Stimmgewirr und die elektronischen Klänge gehen eine Liaison ein, bei der man sich eine Kamerafahrt durch einen überfüllten Flughafen vorstellt.

Rockig anmutende, dann wieder leicht verstörende Klangmuster, die recht chaotisch wirken, aber trotzdem fesselnd sind, wechseln sich ab. Oftmals geht es hier recht rhythmisch zu. Dazwischen setzt Hagen dann auch ruhige Passagen, die beispielsweise wie eine Mixtur aus raschelnden Hölzern und einer knisternden Vinylscheibe klingen. Danach gibt Hagen dann aber wieder Gas und baut einen Rhythmus ein, der wie ein stampfender Zug wirkt. Auch dieser zweite Part ist gespickt mit ungewöhnlichen Klängen.

Mit Hagen von Bergen und Christian Fiesel haben sich Zwei mit gleichem musikalischen Verständnis gefunden. Ihre Musik ist außergewöhnlich und setzt statt auf Melodien und Harmonien mehr auf Sounds, die auch schon mal leicht verstörend wirken können. Und trotzdem schaffen es die beiden den Hörer in ihren Bann zu ziehen (zumindest, wenn man sich auf Musik jenseits der harmonischen Pfade einlassen kann). „Sperrgut“ wird seinem Titel gerecht, ist aber eine berauschende Entdeckungsreise.

Stephan Schelle, November 2017

 
   

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