Der Spyra - Excerpts Vol. 1
  Der Spyra - Excerpts 1
Ricochet Dream (2004) 8 / 70:32

Der Kasseler Elektronikmusiker und Soundkünstler Wolfram DER Spyra veröffentlicht bereits seit 1998 viel beachtete Alben unter seinem Namen und zusammen mit Pete Namlook. Vor allem durch seine musikalische Vielseitigkeit, die er besonders auf seiner 3-CD-Box „Elevator To Heaven“ unter Beweis stellt, spricht er unterschiedliche Musikliebhaber an. Da werden die Fans der traditionellen elektronischen Musik á la Klaus Schulze genauso bedient wie Freunde des Trance und Chillouts.

Jetzt erscheint mit „Excerpts 1“ eine Werkschau, die Musik aus den verschiedensten künstlerischen Performances der Jahre 1986 bis 1992 beinhaltet. Bereits 1992 hat Wolfram die Stücke auf einer auf 50 Exemplare limitierten Auflage herausgebracht. Die jetzt erstmals als CD erhältliche Ausgabe ist ebenfalls limitiert (auf 1.000 Stück). Sie beinhaltet neben sieben bereits 1992 erschienen Stücken mit „Back From The Roots“ einen bisher unveröffentlichten Track.
 

 

 

Wie ich schon eingangs erwähnte stellen die Stücke Tracks aus Kunstperformances dar. Aus diesem Grunde sind sie auch nicht mit den bisherigen Veröffentlichungen von Wolfram zu vergleichen, bieten aber trotz alledem sehr spannende Momente.

Die CD beginnt mit dem wohl ältesten Titel „Level.Voice“. Den Kern des Stückes bildet ein Stimmen-Loop, der als Grundlage während des gesamten Tracks zu hören ist. Das ist sehr außergewöhnlich, klingt aber trotz seiner Eintönigkeit gut. Darüber spielt Wolfram eine Synthielinie bzw. Melodie. Zusätzlich wird dieser Titel durch die gelungene Perkussion belebt.

Die Tracks zwei und sechs, „Hush Hour (Excerpt 1)“ und „Hush Hour (Excerpt 2)“ wurden ursprünglich für eine Soundinstallation in einer Tiefgarage komponiert, die während der documenta 9 in Kassel zu hören war. Neben Wolframs Synthieflächen wird Excerpt 1 vor allem durch Eric George’s Saxophonspiel bestimmt. Der Song verbreitet eine gewisse ruhige, ja melancholisch jazzige Stimmung. Man stellt sich - auch durch die Geräusche, die an einer Autobahn oder befahrenen Straße aufgenommen wurden - einen einsamen Saxophonspieler vor, der den dahinrauschenden Autos wehmütig hinterher schaut.

Beim zweiten Part von „Hush Hour“ wird durch Synthieklänge erst eine etwas düstere Atmosphäre aufgebaut, dann geht es wie im Stile von Vangelis Experimentierphase weiter. Wolfram bewegt sich zwischen Harmonie und Düsternis, da er außer mit unterschiedlichen Sounds auch mit der Lautstärke spielt. Ich stelle mir schon vor, wie das in einer dunklen Tiefgarage gewirkt haben muss. Ich denke, dass einen da schon eine gewisse Angst beschleichen würde.

„Wenn (2nd Version Excerpt)“, das für Wolfram’s 1990’er gleichlautender Performance eingespielt wurde, beginnt mit einer Art Sirenensound. Hier haben wir wieder einen experimentellen Track, der aber durch einen sehr interessanten Rhythmus vorangetrieben wird. Stimm- und Geräuschsamples vervollständigen dann den Titel. Nach einigen Minuten erklingt auch wieder dieses jazzige Saxophon. Sehr spannender und abwechslungsreicher Track, der sich im Laufe melodischer entwickelt.

Im Jahr 1987 hat Wolfram für eine Performance mit dem Titel „Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken“ das Stück „Ormuzd“ geschrieben. Die Schizophrenie wird durch Violinensounds sowie verschiedene Samples dargestellt. Der Titel ist anfangs experimentell gehalten, lebt aber im weiteren Verlauf von seiner Perkussion und den einsetzenden Synthie- / Melodieflächen, die eine gewisse Songstruktur aufweisen. Hier, wie auch in den anderen Tracks, arbeitet Wolfram mit eigens erstellten Sounds. Die Melodie, die mit rückwärts abgespielten Stimmen und einem Vogelgezwitscher Sound versehen wurde, entfaltet ihren ganz eigenen Reiz. Das ist keineswegs mit irgendwelchen esoterischen Melodien zu verwechseln.

„Technische Etude ¾“ stammt aus dem Jahr 1991. Bei diesem Stück dominieren anfangs Xylophon artige Sounds. Das klingt spannend und könnte auch eine Art Filmmusik darstellen. Der fast zehnminütige Track entwickelt dann während seiner Spielzeit immer mehr Drive und kommt - wenn die Synthies den Ton angeben - musikalisch den Stücken, die wir sonst von Wolfram kennen, schon näher. Dieser Titel gefällt mir ausgesprochen gut.

„K 18 Live“ wurde während einer Vernissage der Ausstellung „HungerKunstHunger“ am 30.10.1991 live aufgeführt. Das Besondere an dieser Aufnahme ist, dass Wolfram’s Installation „Klangbleche“ als Lautsprecher verwendet wurden. Aufgenommen hat er das ganze dann mit zwei Mikrophonen. Wieder geht es hier experimenteller zu. Da entwickelt sich durch die sehr metallisch-futuristisch klingenden Sounds ein Film im Kopf.

Der Bonustitel „Back To The Roots“ beschließt den Silbering. Außer das er in den frühen 90’er Jahren aufgenommen wurde, gibt das Booklet keine weiteren Informationen über ihn. Wolfram bietet auf diesem letzten Track wieder melodischere Strukturen, die zu Beginn durch sphärische Keyboardflächen eingeleitet werden. Durch den Einsatz von Perkussion und Flötenartigen Sounds kommt hier ein asiatisches Flair auf.

Mit „Excerpt 1“, der Titel lässt auf eine Fortsetzung schließen, hören wir wieder eine andere Seite von Wolfram DER Spyra. Hier verbinden sich Songstrukturen mit experimentellen sowie jazzartigen Passagen. Es wird wieder mal deutlich welche Vielseitigkeit in Wolfram steckt, denn er kann immer wieder durch seine Veröffentlichungen überraschen. Für mich ist  Wolfram DER Spyra ganz klar ein Ausnahmekünstler.

Für alle Spyra-Fans wieder eine Muss. All diejenigen, die auch experimentelleren Sounds mit melodischen Elementen offen gegenüberstehen, sollten unbedingt in die CD hineinhören.  

Stephan Schelle, September 2004 

 
   

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