DerHarms - Neun schöne Lieder
 

DerHarms - Neun schöne Lieder
Sireena Records / Broken Silence (2021)

(
9 Stücke, 40:54 Minuten Spielzeit)

Erst im September 2020 erschien das Album „Fingerhut“ des Duos Ermes/Harms, da legt Sireena Records am 26.02.2021 auch gleich ein Soloalbum von Hauke Harms nach, der hier unter dem Namen DerHarms firmiert. Betitelt ist es mit „Neun schöne Lieder“. Bekannt sollte Hauke Harms auch als Gründungsmitglied und treibende Kraft hinter der Kultband Girls Under Glass sein.

 

 


Den Wunsch ein Soloalbum unter dem Namen DerHarms einzuspielen, hatte er schon immer, doch erst 1994 mündete dies in einer Zusammenarbeit mit seinem Girls Under Glass-Kollegen Volker Zacharias unter dem Namen Trauma. Insgesamt drei Alben veröffentlichte dieses Duo. Im Jahr 2012 veröffentlichte er dann aber sein erstes Soloalbum mit dem Titel „Music4Cars“, allerdings nur in digitaler Form auf Bandcamp und anderen Plattformen.

2021 erscheint nun sein zweites Soloalbum „Neun schöne Lieder“, dessen Stücke er in der Zeit von 2016 an sporadisch in seinem Heimstudio auf dem Land im Seevetal sowie in Kalifornien (USA) eingespielt hat. Das Album enthält neun Stücke mit Laufzeiten von 3:42 bis 5:58 Minuten, die düstere Dark Wave Elemente, mit technoiden Komponenten und ein romantisches Krautrocklebensgefühl miteinander verbinden. Beeinflusst wurde Harms dabei von den repetitiven Klangwelten von Cluster, frühe Kraftwerk oder Neu!. Er geht dabei aber wesentlich harmonischer und melodischer zu Werke als auf dem Ermes/Harms-Album.

DerHarms legt großen Wert auf die Feststellung, dass ein Großteil der Sounds auf seinen museal anmutenden elektronischen Musikinstrumenten zum Anfassen und nicht primär in den Untiefen des Rechners entstanden sind. Haptik und Atmosphäre hatten in der Produktion eindeutig Vorrang vor zeitgemäßer Studioökonomie.

Den Beginn macht das 4:15minütige „Sunburst“, mit dem er schon mal sehr rhythmisch und auch melodisch startet. Wavesounds und Harmonien, die eine leicht düstere Note wie bei John Carpenter besitzen, liegen hier im Fokus. Das klingt gut und der Rhythmus zündet auch sofort.

Rhythmisch, allerdings etwas zurückgenommener, zeigt sich dann das vierminütige „Die Hälfte von Ja“. Hier kommen krautige Elemente, durch sich ständig wiederholende Klangfolgen, zum Vorschein. Auch die hellen Synthieeinschübe erinnern an Neu! & Co. Trotz seiner repetitiven Struktur ein spannender Track, der den Spirit des Krautrock neu belebt.

Im 5:39minütgen „The Ghost“ hat Harms eine sehr schöne Rhythmusstruktur eingebaut, die sich nach gut einer Minute zu einem treibenden, modernen Beat transformiert. Darauf setzt Harms dann passende, frische Harmonien. Das Ding geht wirklich gut ab und steigert sich immer weiter. Klasse Track, der auch zum Tanzen einlädt. Da kann man kaum ruhig vor den Boxen sitzen.

Mit fast sechs Minuten ist „Winterreise“ der längste Track des Albums. Zunächst beginnt der Track recht ruhig, fast schon mit schwebenden Klängen um den Track dann nach wenigen Momenten mit einem pulsierenden Beat zu beleben. Die technoiden Rhythmen besitzen einen hypnotischen Sog. Das anschließende 4:33minütige „Wellenklang“ beginnt zunächst mit wellenförmigen Flächen und einigen Pianotupfern sehr meditativ. Nach einer Minute schält sich aber ein hinreißender Rhythmus hervor, dem noch ein pumpender Beat folgt. Über die komplette Länge verlässt Harms dabei nicht die schwebende, meditative Atmosphäre. Mich erinnert das auch ein wenig an das „Body-Beat-Box“-Album von Mind~Flux.

Kraftvoller kommt dann das 4:33minütige „Blues 2.0“ aus den Boxen. Mit Blues als Musikrichtung hat der Track aber nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich wieder um einen rhythmischen, repetitiven, technoiden Track. Auch bei dieser Mixtur aus Wave, Techno und Krautrock kann man kaum die Füße still halten.

Stimmsamples kommen dann im vierminütigen „Sure“ auf. Auch dieser wird bestimmt von pumpenden Beats. Harms versteht es eine besondere Stimmung zu erzeugen, deren Sogwirkung man sich nicht entziehen kann. Bei aufgedrehten Boxen haut einen das komplett um. Dies garniert er dann noch mit eingängigen Harmonien. Das kraftvolle, fast im Industriel angelegte „Carpet“ (4:11 Minuten) und das etwas ruhiger, fast schwebend angelegte „Wunderbar“ (3:42 Minuten) beenden dann das Album.

Ich muss gestehen, dass mir „Neun schöne Lieder“ von DerHarms wesentlich besser gefällt als das Album „Fingerhut“ von Ermes/Harms. Das liegt vor allem daran, dass hier der Fokus nicht auf experimentelle Klänge liegt, sondern Hauke Harms sehr harmonisch/melodisch mit tollen Rhythmen seine Stücke aufgebaut hat. Für mich ist das schon mal ein erstes Elektronikmusik-Highlight im neuen Jahr.

Stephan Schelle, Januar 2021

 
   

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