Colin Rayment – Time Dilation
 

Colin Rayment – Time Dilation
SynGate Records (2020)

(
6 Stücke, 59:18 Minuten Spielzeit)

Nach seinem Schallwelle-Preis-nominierten, letztjährigen Album „Equilibrium“ folgt im Sommer 2023 das nächste Werk des britischen Elektronikmusikers Colin Rayment. Es trägt den Titel „Time Dilation“ und enthält sechs Tracks mit Laufzeiten von 5:34 bis 12:33 Minuten Spielzeit. Um was es thematisch bei dem neuen Album geht, das hat Colin in dem beiliegenden, vierseitigen Booklet näher ausgeführt. Dort heißt es:

 

 


Theoretisch würde die Dehnung der Zeit für Passagiere in einem sich sehr schnell bewegenden Raumschiff dazu führen, dass sie in die Zukunft ihrer eigenen Zeit blicken könnten. Je höher die Geschwindigkeit, umso dramatischer ist der Effekt. So können etwa bei einem Jahr der Reise auf der Erde selber 10 Jahre vergehen.

In der Zeitdilatation bewegt sich für einen stationären Beobachter die Zeit langsamer in Relation zu einem sich bewegenden Beobachter. Eine Uhr des Reisenden tickt langsamer als diejenige, die der stationäre Beobachter hält. Das Konzept der Zeitdilatation beruht auf den Effekten der Relativitätstheorie von Albert Einstein.

Würdest Du in die Zukunft blicken wollen? Und wenn Du es könntest, was würdest Du damit machen?

Das Album beginnt sehr ruhig zu Beginn des Openers, dem 11:53minütigen „Fast Forward Chronograph“. Schwebend ziehen in den ersten anderthalb Minuten sanfte Sounds durch den Äther. Dann kommt ein Sequenzer auf und es entwickelt sich langsam eine wunderbare Stimmung, die durch Harmoniebögen erzeugt werden. Nach nicht ganz einer weiteren Minute wird es dann melodisch, ein wenig flotter und geht in Richtung Tangerine Dream. Colin hat aber seinen ganz eigenen Sound und der nimmt jetzt sofort gefangen. Der Track entwickelt sich langsam und führt zu einer wunderschönen, melodischen Passage, die von einem pulsierenden, sanften Beat unterfüttert ist.

„Accelerometer“ heißt das zweite, 7:21minütige Stück. Dieses startet ebenfalls sehr ruhig und bekommt nach etwas mehr als einer Minute perlende Synthstimmen, die sich harmonisch durch den Raum bewegen und an Dynamik gewinnen. Nach etwas mehr als zweieinhalb Minuten kommen Arpeggio auf und man fühlt sich wieder in die Zeit von Tangerine Dream der 80’er Jahre zurückversetzt. Colin nimmt allerdings nur einige Elemente auf und führt sie in seinem Stil fort.

Leicht improvisierte Klänge führen dann in den nächsten Track, den 10:24minütigen „Transitional Dimensions“. Colin startet nach gut 45 Sekunden den Sequenzer und fügt sehr schöne Harmoniebögen hinzu, die sich langsam zu einer Melodielinie entwickeln. Colin wechselt im Stück dann mehrfach Struktur, Rhythmus und Harmonieführung.

Das 5:34minütige „Snapshot In Time“ ist auch ein sehr ruhiger Track, der traumhaft dahinweht und in der zweiten Hälfte eine betörende Melodie bekommt. Man wird nach einigen Momenten unweigerlich in diesen synthetischen Sog hineingezogen und kann sich darin verlieren. Die beiden Longtracks „Glimpse Into A Future“ und „Time Stands Still“ schlagen in die gleiche qualitative Kerbe.

Wow, was hat der Brite Colin Rayment da nach seinem Album „Equiblibrium“, das schon für den Schallwelle-Preis nominiert wurde, noch für einen Nachfolger rausgehauen. Die Musik geht einem durch den ganzen Körper und sorgt oft für eine Gänsehaut. Das ist für mich ein weiterer Aspirant für den nächsten Schallwelle-Preis. „Time Dilation“ gehört für mich zu seinen besten Alben.

Stephan Schelle, Oktober 2023

 
   

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