Betzler & Brückner - 2
 

Betzler & Brückner - 2
SynGate (2015)
(
5 Stücke, 78:32 Minuten Spielzeit)

Am 06.07.2013 standen Michael Brückner (Keyboards, Synthesizer) und Thomas „Tommy“ Betzler (Schlagzeug) gemeinsam auf der Bühne der Schwingungen-Gartenparty in Hamm. Ursprünglich sollte diese Zusammenarbeit lediglich auf dieses eine Event beschränkt sein. Geplant war damals das Konzert mitzuschneiden und es als Livealbum herauszubringen. Aufgrund technischer Probleme bei dem Gig fiel aber dieses Vorhaben flach. Auch die Tonaufnahmen eines zweiten gemeinsamen Konzertes in Bocholt waren qualitativ nicht so gut, um sie zu veröffentlichen.

 

 


Aus den oben aufgeführten Umständen kamen die beiden Musiker dann auf die Idee ein Studioalbum einzuspielen. Michael und Tommy wollten nun die Stücke, die sie in Hamm live gespielt haben, in bester Qualität als Studioproduktion herausbringen. Allerdings gestaltete sich auch dieses Projekt aus verschiedenen Gründen (u. a. da noch Gastmusiker mitwirken sollen) als aufwendig und schwierig.

Um die Wartezeit auf das gemeinsame Album zu verkürzen, durchstöberte Michael das Material, das er seit 2013 zusammen mit Tommy Betzler aufgenommen hat und so fanden sich noch zahlreiche Tracks, die für eine randvolle CD geeignet sind. Das Ergebnis ist auf der CDR „Two“ dokumentiert. Der Titel der CD sagt aus, dass es sich dabei um Musik handelt, die nach den Tracks der ersten Kollaboration entstanden sind. So verwirrend das auf den ersten Blick scheint, so logisch ist es aber auch und zeugt vom Humor der beiden Musiker. Eine weitere Bedeutung bekommt der Albumtitel auch aus dem Umstand, dass es sich bei dem Musikprojekt um ein Duo handelt. Daneben wirkten auch noch mit Sammy David und Fryderyk Jona zwei Gastmusiker bei jeweils zwei Stücken mit. Man sieht, die Zahl 2 zieht sich durch das komplette Album.

Auf den fünf Tracks, des Albums gehen die beiden eine Kollaboration von Elektronik und Rockmusik ein, was vor allem auch an Tommy’s druckvollem Schlagzeug sowie an der E-Gitarre von Sammy David, der bei zwei Tracks mitwirkt, liegt.

Los geht es mit dem Track „(Not) Too Late“ (ein ebenfalls sehr humorvoller Titel). Dieses Stück hieß früher mal „ELKAsy“ - weil ich es ursprünglich im Januar 2013 aufgenommen hatte, und zwar „nur“ als Test-Stück für den ELKA Solist 505 - Synthesizer, den ich damals gerade gebraucht von Till Kopper gekauft hatte. Bislang war es in dieser allerersten Version nur auf meiner Soundcloud-Seite mit Übestücken zu hören, wobei es dort und damals ziemlich vielen Leuten gut gefallen hatte.

Tommy und ich haben das Stück dann 2013 in Hamm live gespielt, wobei wir Harald Nies an der Gitarre als Gast hatten, und das ganze plötzlich und eher ungeplant zu einer Art Krautrock-Jam wurde. So Michael Brückner.

Das Stück wurde neu eingespielt und wirkt wesentlich rockiger als in der Liveversion von Hamm. Allerdings beginnt das Stück zunächst mit schwebenden Synthieklängen. Nach einer halben Minute zählt eine verfremdete weibliche Stimme in englischer Sprache von acht beginnend herunter. Dann kommt mit einer Vocoderstimme der Text „It’s Not Too Late“, eine Augenzwinkernde Anspielung auf die lange Dauer bis zur Veröffentlichung des ersten gemeinsamen Albums der beiden. Und dann kommt ein treibender Sequenzerrhythmus auf, der sofort unter die Haut geht. Wow, das fasziniert vom ersten Moment an. Nach gut zweieinhalb Minuten steigt dann Tommy am Schlagzeug ein. Immer treibender wird dieser zwölfminütige Track. Sobald Sammy dann im letzten Drittel mit seiner Gitarre einsetzt, wird das Stück auf Rock gekrempelt. Das ist einfach klasse gemacht.

„Two Worlds (Inside One Mirror)“ ist mit seinen 9:10 Minuten Spielzeit der Shorttrack des Albums. Dieses Stück wirkt wie ein Soundtrack zu einem Thriller, denn es baut eine gewisse Spannung auf, die ich nicht näher erklären kann, denn zunächst sind da noch kaum Melodiebögen zu finden. Das Besondere an diesem Stück ist ein Klarinettensolo und ein Solo auf dem Moog Voyager, die von Fryderyk Jona beigesteuert wurden und die dem Track eine ganz besondere Note verleihen. Auch sind einige Samples, wie sie Klaus Schulze Anfang der 90’er benutzte, in diesem Track zu finden.

Der Longtrack „Gaia (A Suite in Two Parts)“ kommt gar auf 25:35 Minuten Spielzeit. Michael dazu: Bei einer der Schlagzeug-Aufnahmesessions hat Tommy irgendwann einen ganz interessanten Groove improvisiert, der gleichzeitig elektronisch und ethnomässig klang. Wobei der für kein bestimmtes Stück gedacht war, wir hatten in dem Moment nur verschiedene Klänge von Tommys elektronischem Drumkit ausprobiert. Mir gefiel das aber so gut, dass ich damals ein kurzes atmosphärisches Stück daraus gebastelt hatte, das es dann auch nur auf Soundcloud gab, mit dem Titel „Ambient Percussion Sketch“. Eine gut achtminütige Fassung dieses Stückes befindet sich auch auf einer Compilation, die von der amerikanischen Ambient-Radiomoderatorin Rebekkah Hilgraves herausgebracht wurde.

Das Stück wirkt streckenweise durch die ungewöhnliche Rhythmik inkl. einiger Gongschläge und der Sounds recht ethnisch, hat aber auch einige spacige Momente. Ambiente Klanggewölbe treffen in diesem Stück auf perkussive Rhythmen. Das wirkt absolut ungewöhnlich. In das Stück hat Michael dann noch eine sehr schöne, atmosphärische Gitarrenpassage von Sammy David eingebaut. Im letzten Drittel kommen dann noch tribelartige Rhythmen auf, die eine hypnotische Ausstrahlung besitzen. Der Track wirkt trotz seiner Länge zu keinem Zeitpunkt langatmig.

Asiatisches Flair kommt dann in „Monsoon (To Soon)“ auf, das stellenweise wie ein Soundtrack zu einem monumentalen Abenteuerfilm wirkt, dann aber wandelt sich das Stück zu einem sehr melodisch, rhythmischen Track. Es klingt, als ob das Stück live aufgenommen wurde. Michael erklärt dazu: Es handelt sich um eine Sequenz bzw. einen rhythmischen Klang, den ich mal mit dem Waldorf Blofeld Synthesizer programmiert hatte, und der auch schon in Hamm als Grundlage für eine lange Improvisation gedient hatte. Da das Original aber keinen Anfang und kein richtiges Ende hatte, habe ich im Nachhinein noch ein Intro und ein Outro dazukomponiert und auch noch mal einige zusätzliche Synthesizer-Linien dazugespielt.

Den Abschluss bildet dann „(One) To The Flame of Hope“, das Michael anfangs so ein bisschen in Richtung früher Kitaro entwickelt hat. Das Stück basiert auf einem ambienten Track, den Michael mit dem ELKA Solist 505 improvisierte. Dieses hat er mit Perkussionelementen, die von Tommy stammen, garniert. Daneben wurden einige Parts auf der Klarinette und dem Moog von Fryderyk Jona beigesteuert und das Stück um weitere Schlagzeugaufnahmen von Tommy herum weiter ausgebaut. Herausgekommen ist ein sehr homogenes 20minütiges Stück mit einigen Wendungen, das sowohl ambiente Parts wie auch perkussive Momente aufweist. Spätestens ab Minute 5 wird dieser Track unwiderstehlich. Ein tolles Stück das mit zum Besten des Albums zählt.

Michael Brückner und Tommy Betzler sind mit Unterstützung der beiden Gastmusiker Sammy Davis und Fryderyk Jona eine perfekte Symbiose eingegangen. Herausgekommen ist ein sehr stimmiges, an einigen Stellen sogar rockiges Album, das Appetit auf mehr macht. Da kann ja jetzt Album Nummer 1 kommen. Ein klasse Album!!!

Stephan Schelle, November 2015

 
   

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