Bertrand Loreau - Full Moon In Fall Der französische Elektronikmusiker Bertrand Loreau veröffentlicht seit gut 40 Jahren seine Alben bei verschiedenen Labels. Die neueste Produktion „Full Moon In Fall“ ist bei dem Label Töfte-Mucke Records erschienen. Musikalisch bewegt sich Loreau im Stil der Berliner Schule, die von Klaus Schulze inspiriert ist, aber er hat auch viele melodische und gefühlvolle Tracks aufgenommen und wurde manchmal mit Vangelis verglichen. Er hat CDs mit Lambert (Spheric Music), einem weiteren Meister der Berliner Schule, und mit Frederic Gerchambeau (Spheric Music, Groove Unlimited), einem eher experimentellen Musiker, aufgenommen. |
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Vor
ein paar Jahren traf ich auf dem Synthesizer-Festival in Nantes in
Frankreich einen Franzosen, Stephen, der analoge Synthesizer baut. Er sagte
mir, dass er die Musik der Berliner Schule mag, die ich für das Label
Spheric Music aufgenommen habe. Er fragte mich, ob ich einen seiner
Synthesizer in meiner Musik verwenden könnte. Also lieh er mir ein
monophones Instrument, das er „Retro One“ nennt. Ein Musikinstrument,
das auf der Architektur des klassischen Minimoog basiert, mit ein paar zusätzlichen
Parametern und einem Patchbay. Der Klang dieses kompakten Instruments
inspirierte mich und ich nahm die Herausforderung an, eine ganze CD nur mit
dem monophonen Soundmodul und einem Midi-Multitrack-Sequenzer aufzunehmen.
Stephen war von der Musik sehr angetan, so dass wir beschlossen, eine kleine
selbstproduzierte CDR-Serie zu produzieren, die er seinen Kunden anbieten
kann. Den Kunden der NR Synth Factory gefiel die Musik und der Sound des
Retro One, aber eines Tages beschloss ich, die Musik mit ein paar Sounds aus
meinen anderen Keyboards anzureichern, um sie mit mehr Musikfans der
Berliner Schule zu teilen. So enthält die Musik dieser CD fünf Tracks, die
ursprünglich mit dem Retro One Synthesizer aufgenommen wurden (plus Ergänzungen).
Zwei weitere Tracks wurden hinzugefügt, um diese Produktion komplett zu
machen. Das
Album, das im Jewelcase mit vierseitigem Booklet erscheint, beginnt mit dem
21minütigen „An Evening Of Gloomy Day“. Das Stück ist in fünf Parts
unterteilt, die aber nicht einzeln angewählt werden können. Der Longtrack
beginnt sehr sphärisch und futuristisch, da wabert und blubbert es in den
ersten Momenten, bis sich dann leicht sakral wirkende Synthchöre
hinzugesellen. Nach etwa zweieinhalb Minuten kommt eine Art Rhythmus auf,
der aber nur sporadisch weitergeführt wird. Das wirkt alles sehr wie ein
Soundtrack. Richtig los geht es dann nach vier Minuten, wenn der Sequenzer
nun schneller zu arbeiten beginnt. Das scheint dann auch Part 2 mit dem
Titel „Run High Over My Head“ zu sein. Nach gut elf Minuten beruhigt
sich die Szenerie dann und es kommen Flächen auf. Das ist jetzt nicht nur
der Stil der „Berliner Schule“, sondern weist auch in Richtung
Eindhoven. Langsam pulsierend und mit einem sanften Melodiebogen geht es
dann ab Minute 15 weiter um dann flirrend und zwitschernd zu enden. Mit
3:15 ist der nächster Track, „It Is Not A New Dream“ dann doch
wesentlich kürzer. Wellenrauschen, Donnerhall und sanfte Flächen sorgen
hier für eine sehr entspannte und wohlige Atmosphäre. Nach einigen
Momenten kommt dann eine Melodie auf die mich - auch von der Soundstruktur -
an Musiker wie Akikaze erinnern. Beim dritten Titel „Rising From The Drops
Of The Rain“ ist dann auf der CD-Rückseite ein Fehler passiert. Das Stück
ist nicht 3:30 sondern 13:30 Minuten lang. Auch dieser Track beginnt mit
rauschendem Wasser und sanfte Flächen. Nach etwa zwei Minuten fügt Laurent
dann eine sehr schöne Melodielinie hinzu, die auf einem sanft pulsierenden
Rhythmus liegt. Das hat was von John Carpenter, aber doch seine ganze eigene
Handschrift. Nach nicht ganz einer weiteren Minute wird der Rhythmus dann
pulsierender und dynamischer. Laurent fügt weitere Sounds und Soli ein, die
recht verspielt klingen, so als hätte er hier live improvisiert. Ein sehr
schönes Stück, das einen aus der Realität katapultiert. Das
6:05minütige „I Hear A Deep Sorrow“ bietet dann schwebende Klänge, die
sanft und harmonisch durch den Raum ziehen. Mit Zuggeräuschen (inkl.
quietschenden Bremsen) startet Laurent dann in das 13minütige „From A
Train Of Emotions“. Nach wenigen Momenten kommt ein Sequenzerrhythmus auf,
der den Takt vorgibt, auf den Laurent dann seine melodischen Soli legt. So fährt
der Zug dann im gemächlichen Tempo dahin. Es folgend das 6:40minütige
„The Morning Dew Awakes Me“ mit seiner sehr einfühlsamen, leicht
melancholischen Melodie und das 10:13minütige „I Feel The Floating
Heritage“, das die „Berliner Schule“ interpretiert.
Bertrand Loreau hat auf seinem neuesten Album „Full Moon In Fall“ unter
Verwendung des analogen Synthesizers Retro One, das von einem Franzosen
gebaut wurde, herrliche Elektronikmusik in der Schnittmenge aus „Berliner
Schule“ und der niederländischen Variante zusammengestellt. Das klingt
alles sehr entspannt und melodiös. Wer diese Spielarten mag, der kann hier
bedenkenlos zuschlagen. Stephan Schelle, Juni 2023 |
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