Belgium - Grass
 

Belgium - Grass
www.deepsongs.com (2009)
(11 Stücke, 57:36 Minuten Spielzeit)

Hinter dem Projekt Belgium verbirgt sich der Mönchengladbacher Musiker Georg Sehrbrock (Piano, Synhesizer, Programming, Perkussion), der seine Musik mit einer Anzahl von Gastmusikern einspielt oder live darbietet. „Nach klassischer Grundausbildung an Klavier und Kirchenorgel war er in den 80er Jahren über mehrere Jahre Schüler des Jazzpianisten und Komponisten Jürgen Dahmen. In diese Zeit fielen erste Experimente mit phrasenorientierter Musik unter Zuhilfenahme eines Vierspurtonbands. Beeinflusst von Spielarten des Modern Jazz und der Musik der amerikanischen Minimalisten wie Glas, Riley und Reich auf der einen sowie der elektronischen Musik der frühen Berliner und der Düsseldorfer Schule auf der anderen Seite, entstanden die ersten Formen und Fragmente der „Belgium“-Klangwelt.“

 


„Experimente mit statischen Maschinen und ebenso mit Naturgeräuschen nahmen über die Jahre hinweg einen eigenen Anteil innerhalb Sehrbrocks Musik ein. Bei der Bearbeitung gesammelter Alltagsgeräusche wird es zum Prinzip, die Musik um das Geräusch, den Klang "herum" zu komponieren. Samples werden nicht verstimmt oder verbogen. Mit den Jahren entsteht eine umfangreiche Sammlung von Klängen, Geräuschen, Loops, Phrasen und Fragmenten, derer sich Sehrbrock mit „Belgium“ bedient.“

„Grass“ nennt sich das Studioalbum, das im Jahr 2009 erschienen ist. Es beginnt mit dem Titelstück, bei dem zu Beginn Naturgeräusche (Vogelgezwitscher und einem startenden Flugzeug) zu hören sind, um dann in einen musikalischen Part über zu gehen, der anfangs noch recht harmonisch, verträumt klingt und durch das Akkordeon eine französische Note erhält. Doch sobald eine Stimme einsetzt, die einen Text spricht, bricht der Track in einen experimentellen, künstlerischen Stil ab.

Das etwas mehr als dreiminütige „Morvan“ ist ein sehr rhythmischer Track, dessen Rhythmus aus einem Signalton einer Schrankenanlage erstellt worden zu sein scheint (so kommt es mir vor). Darauf werden Keyboards, Piano und ein Schlagzeug gelegt, was sowohl eingängig, wie auch künstlerisch zugleich wirkt. Auf fast acht Minuten bringt es  „Liza M.“ bei dem Elektroniktunes und sphärische Flächen zunächst auf ein Pianomotiv treffen. Ein stampfender bzw. pulsierender Beat und in den Hintergrund gelegte Stimmen, wie von einem entfernten Fernseher, bewirken beim Hörer eine eigenartige Atmosphäre. Das Kopfkino startet und es werden surreale Bilder vor dem Auge des Hörers abgespielt.

Aber nicht nur elektronische Klänge werden auf dem Album geboten, die sechs Gastmusiker steuern mit Instrumenten wie Dobro, Violine, Trompete, Klarinette, E-Gitrarre und Bass weitere Klangfarben bei, die aus der Musik eine sehr abwechslungsreiche Sache machen. Das führt beispielsweise dazu, dass „Screwheads“ einen recht rockigen Touch bekommt. Und „Radio Banks“ und „Altfelders Rest“ versprühen trotz ihrer jazzigen Zutaten eine ungeheure Faszination. Das fast elfminütige „The Twelve Tomorrows“, das die CD beschließt, stellt eine sanfte Fusion aus Elektronik und Jazz dar, die traumhaft aus den Boxen weht.

Belgium ist ein ungewöhnliches Projekt, das verschiedene Spielarten wie Elektronikmusik, Ambient, Ethno, Jazz, Klassik, Theatermusik mit experimentellen und auch rockigen Klängen mischt. Das ist kein leichter Stoff, hat aber eine gewisse Faszination, in die man förmlich reingesogen wird. Freunde elektronischer Musik sollten in jedem Fall ein Ohr riskieren.

Stephan Schelle, April 2010

 
   

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