Baffo Banfi – The IC Years (Ma, Dolce Vita & Hearth)
 

Baffo Banfi – The IC Years (Ma, Dolce Vita & Hearth)
MIG / made in gemany music (1978 / 1979 / 2023)

(11 Stücke, 86:20 Minuten Spielzeit)

Der italienische Keyboarder Giuseppe „Baffo“ Banfi war 1975 mit seiner Band Biglietto per L’Inferno, was soviel wie „Fahrkarte in die Hölle“ bedeutet, live in Italien auf der Bühne, während Klaus Schulze ebenfalls in Italien auf Tournee war. Dort sah er die Band und war von ihr begeistert. Ihm schwebte vor ein Album von ihnen zu produzieren. Doch bevor es dazu kam, löste sich die Band auf. Mit dem Keyboarder Baffo Banfi blieb er aber weiterhin in Kontakt. Banfi begleitete Schulze gar auf einer Italientournee als Keyboardroadie.

 

 


Als Klaus Schulze dann sein IC-Label vorbereitete, war für ihn ganz klar, dass er den italienischen Keyboarder unter Vertrag nehmen würde. Das Ergebnis waren dann zwei Alben, die erstmals am 30.06.2023 vom MIG-Label digital herausgebracht werden. Die beiden auf Schulzes IC-Label veröffentlichten Alben waren „Ma, Dolce Vita“ aus dem Jahr 1979 und „Hearth“ auch dem Jahr 1981. Davor hatte Baffo Banfi schon im Jahr 1978 sein Solodebüt unter dem Titel „Galaxy My Dear“ veröffentlicht

Mir lag zur Besprechung die DoppelCD vor, die in einem Jewelcase mit zwölfseitigem Booklet daherkommt. Die Alben befinden sich jeweils auf einer CD. Während „Ma, Dolce Vita“ lediglich die fünf Originalstücke enthält, wurde dem zweiten Album „Hearth“ der 8:48minütige Bonustrack „Love Magnetic Research“ spendiert. Die Aufteilung der Alben auf zwei CDs macht Sinn, da beide Werke - trotz ihrer elektronischen Ausrichtung - recht unterschiedlich sind.

Das Album „Ma, Dolce Vita“ wurde von Baffo Banfi im Alleingang eingespielt und ist stilistisch stark in der Elektronikmusik verwurzelt. Banfis musikalischer Stil war zwar von den Elektronikmusikern der „Berliner Schule“ wie Klaus Schulze, Tangerine Dream und Manuel Göttsching (Ashra, Ash Ra Temple) inspiriert, doch schrieb Schulze auf der Rückseite des Covers von „Ma, Dolce Vita“ als Grund für die Veröffentlichung: Der Hauptgrund dafür war, dass sein Sound sich von der konventionellen Elektronikmusik unterscheidet. Sein natürliches, fröhliches Naturell fließt in seine Musik ein - rein elektronische Musik -, die sich sogar zum Tanzen eignet. Für mich verkörpert Baffos Musik den „Italienischen Stil“ der Synthesizer-Musik.

Die Stücke klingen auch ein wenig nach der „Berliner Schule“, besitzen aber einen eigenen Charme. Baffo Banfi drückte auf dem Album seinen eigenen, melodischen Stil aus, der allerdings auch an den damaligen Schulze-Schützling Robert Schroeder erinnerte. Der Opener „Oye Cosmo Va“ beginnt zwar zunächst mit außergewöhnlichen Klängen und leichtem Vangelis-Touch, doch nach wenigen Momenten kommt ein leichtes „Berliner Schule“-Flair auf, das Banfi aber mit seiner eigenen Handschrift verziert. Ein sehr besinnlicher und melodischer Eröffnungstrack. Sphärisch/spacig beginnt dann das 6:11minütige „Quelle Dolce Estate Sul Pianeta Venere“. Hier kommen Klangfolgen und Rhythmen auf, die auch an Manuel Göttschings Ashra erinnern und doch eine ganz eigene Handschrift tragen. Das 7:28minütige „Vino, Donne E Una Tastiera“ wandelt im Robert Schroeder-Modus. Einen ganz eigenen Sound bietet Banfi dann im 3:54minütigen „Astralunato“. Das 18minütige „Fantasia Di Un Pianeta Sconosciuto“ ist dann streckenweise wieder von der „Berliner Schule“ inspiriert.

Das zweite Album „Hearth“ findet sich dann auf dem zweiten Silberling. Die Stücke wurden in der Besetzung Baffo Banfi (Synthesizer, Keyboards), Bruno Bergonzi (Schlagzeug, Cybernetic Drums), Maurizio Gianni (Gitarre) und Maurizio Anesa (Bass) eingespielt. Anhand der Besetzung und Instrumentierung ist schon zu erkennen, dass das 1981’er Album rockiger ausfällt. Der Albumtitel ist zusammengesetzt aus den beiden Worten „Heart“ und „Earth“.

Schon gleich der Opener, das 6:37minütige „Indian“ zeigt, in welche Richtung es auf dem Album geht. Knackiger Instrumentalrock mit ausdrucksstarkem Bass und druckvollem Schlagzeug machen deutlich, dass hier eine vierköpfige Band rockt. Auch für damalige Zeiten moderne bzw. aufkommende Stile, wie etwa Wave oder Electro, wurden in die Musik eingebaut, was sich beispielsweise in „The Incredible Doogy“ zeigt. Sommerfeeling wird dann im 4:58minütigen „Dancing On The Ship“ verströmt, das mit Reggaerhythmen aufwartet.

Im 9:03minütigen „This You Was“ wird dann hymnisch gerockt und das abschließende, 8:57minütige „Heart Circuit Machine“ bietet zwar melodische, aber auch recht skurril wirkende Klangfolgen, in denen auch mal kurz ein Kraftwerk-Zitat auftaucht. Diesem Album wurde das 8:48minütige Bonusstück „Love Magnetic Research“ hinzugefügt. Das Stück wandelt hypnotisch mit leicht stoischem Rhythmus dahin.

Das MIG-Label hat zwei sehr schöne IC-Alben (die einzigen von Baffo Banfi auf diesem Label) in remasterter Form herausgebracht. Freunde der „Berliner Schule“ sowie der leicht rockigen Elektronikmusik kommen mit diesen Scheiben auf ihre Kosten. Ein klasse Zeitdokument, das nun endlich wieder erhältlich ist.

Stephan Schelle, Juni 2023

 
   

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