Spock’s Beard – Snow Live
Radiant Records / Metal Blade Records/ Sony Music (2017)

(CD 29 Stücke, 151:51 Minuten Spielzeit
DVD 29 Stücke + Bonusmaterial, 225:39 Minuten Spielzeit)

Im Jahr 2002 schufen die amerikanischen Progrocker Spock’s Beard mit ihrem sechsten Studioalbum, dem Konzeptwerk „Snow“ einen Meilenstein der Szene. Leider war dies auch gleichzeitig der Ausstieg von Bandkopf Neal Morse, der danach eine sehr erfolgreiche Solokarriere einschlug. Das Album wurde bis ins Jahr 2016 nie komplett live aufgeführt. In 2016 holte die Band dies in beeindruckender Weise bei wenigen Konzerten nach. Wer 2016 beim Night Of The Prog-Festival dabei war, wird diese unglaubliche Performance nicht vergessen.


Zuvor hatten Spock’s Beard allerdings schon das Mammutwerk beim 2016’er Morsefest in Nashville aufgeführt und zum Glück mit zahlreichen Kameras festgehalten. Am 10.11.2017 erscheint nun dieser Mitschnitt in verschiedenen Formaten weltweit. Diese sind: 2 DVD/2CD Digipack, 3 LP Vinyl (erhältlich in vier verschiedenen Farben), 2 Disc Blu-ray und schließlich als 2 DVD/2 CD/2 Blu-ray Package mit 48-seitigem Artbook, Poster und Postkarten. Zur Besprechung lag mir die 2 DVD/2CD Digipack-Version vor.

Den Fans wurde bei den Auftritten ein unglaubliches LineUp geboten, denn neben der aktuellen Besetzung von Spock’s Beard: Alan Morse (E-Gitarre, Vocals), Ted Leonard (E- und akustische Gitarre, Vocals), Jimmy Keegan (Drums, Percussion, Vocals), Ryo Okumoto (Keyboards, Hammondorgel, Mellotron, Jupiter 8, Minimoog, Vocoder) und Dave Meros (Bass, Vocals) gehörten Neal Morse (Lead Vocals, Piano, Synthesizer, E- und akustische Gitarre) und Nick D’Virgilio (Drums, Percussion, Vocals, akustische Gitarre) ebenfalls zum Team auf der Bühne. Es wirkte wie die Zusammenführung einer Familie und das wird auch auf der DVD deutlich. Daneben unterstützten noch Ben Clark (Trompete) und Nate Heffron (Tenorsaxophon) die Band.

Neal Morse zu dem Werk: „Aus meiner Sicht ist „Snow“ ein Album, das die Herzen und das Leben vieler berührt hat, es hatte eine sehr tiefe Bedeutung für Menschen auf der ganzen Welt. Es war wie ein Kind, das die Band und ich auf die Welt gebracht und dann zur Adoption freigegeben haben. Weil wir das Album nie live gespielt hatten und ich die Band kurz nach seiner Fertigstellung verlassen habe, konnten wir nie erleben, was es den Menschen bedeutet und wie es gelebt wird. Bis jetzt. Ich glaube, wir haben immer gewusst, dass wir irgendeinmal zusammenkommen und „Snow“ spielen würden. Es musste eben passieren. Es war aber auch eine schmerzliche Erfahrung: Nick D’Virgilio hat über die Jahre hinweg das Thema immer wieder aufgebracht, aber in unseren Leben war immer so viel los, wir waren einfach zu beschäftigt und haben es immer wieder verschoben. Der richtige Zeitpunkt war irgendwie nie da. Oder es schien jedenfalls so.“

Aufgeführt wurde die Show, die hier zu sehen ist, im New Line Fellowship in Nashville, wo standesgemäß Neal Morse sein jährliches Morsefest feiert. Die Location ist recht klein, bot aber eine mehr geteilte große Video-LED-Leinwand, auf der die Songs bildlich sehr ansprechend untermalt wurden.

Spock’s Beard zeigen bei diesem Gig eine unglaubliche Spielfreude und setzen das Konzeptwerk in einer sehr intensiven und fesselnden Art um. Auch wenn nicht alle Kameras in HD gefilmt haben und somit einige Bilder etwas verrauscht aussehen, ist das Gesamtergebnis doch mehr als gelungen.

Während auf der ersten DVD das komplette, mehr als zweistündige „Snow“-Material zu finden ist, bietet die zweite DVD die beiden Zugaben „June“ vom 97’er Album „The Kindness Of Strangers“ und „Falling For Forever“ von der Compilation „The First Twenty Years“, die zusammen 36 Minuten Spielzeit ausmachen, sowie eine 64minütige Dokumentation zur Entstehung der Liverperformance. Das Einzige, was ich mir noch gewünscht hätte, wären einige Liveaufnahmen von der Loreley, da hier der Band ein besonderer Rahmen vor tausenden von Zuschauern geboten wurde. Aber man kann bekanntlich nicht alles haben.

Das „Snow“-Material bekommt durch den Einsatz von zwei Schlagzeugern (Nick und Jimmy ergänzen sich nicht nur hervorragend, sie spielen sich auch ständig die Bälle zu) noch mehr Drive und lässt die Songs erst richtig zur Entfaltung kommen. Und wenn Nick dann mit dem Mikro am Bühnenrand singt, dann sorgt Jimmy für den perfekten rhythmischen Unterboden.

Die DVD startet mit einem zweieinhalbminütigen Intro, das einige Daten und Bilder von Spock’s Beard zeigt. Dazu kommen dann auch noch die Bandmitglieder zu Wort und erklären wie die Situation nach Einspielung des Albums und Neal’s Ausstieg war. Dann startet die Band mit „Made Alive“. Schon von den ersten Momenten an entwickelt sich eine intensive Stimmung und man ist sofort im Album bzw. Konzert drin. Diese Musik lässt einen nun zwei Stunden nicht mehr los und man muss dieses Werk einfach komplett ansehen und anhören.

Euphorische Fans und eine bestens aufgelegte Band sorgen für ein mitreißendes Konzerterlebnis. Musikalisch auf höchstem Niveau bieten alle Musiker eine unglaubliche Show. Die wunderbaren Melodien, grandiosen Soli und der herrliche Satzgesang fesseln mich genau so, wie ich es beim ersten Hören des Albums im Jahr 2002 erlebte. Songs wie „Stranger In A Strange Land“, „Long Time Suffering“, „Open Wide The Flood Gates“, „Wind At My Back“ oder „Carrie“ sorgen für absolute Gänsehaut. In „Ladies And Gentleman, Mister Ryo Okumoto On The Keyboards“ darf sich dann der positiv verrückte Ryo minutenlang an seinen Tasteninstrumenten austoben. Dazu kommt er dann unter anderem mit einem tragbaren Keyboard an den Bühnenrand und macht eine kurze Runde durchs Publikum.

Die Zugaben beginnen mit der wunderbaren Version von „June“, bei dem zunächst Neal und Ted an der Akustikgitarre beginnen und das Publikum lauthals mitsingt bevor dann die anderen mit herrlichem Satzgesang einsteigen. Dieser Song ist Gänsehaut pur. Am Ende wachsen die Jungs aber noch einmal über sich beim epischen Longtrack „Falling For Forever“ hinaus. Durchzogen ist das Stück von tollen Soli. Der Hammer ist aber das Schlagzeug-/Percussionduell zwischen Nick und Jimmy, die nach einem rasanten Schlagzeugwettstreit dann ihre Schlagzeuge verlassen und auf allem herumtrommeln (PA, Fußboden) was ihnen in den Weg kommt. Das Ganze wirkt wie eine Konversation in dem einer von ihnen einen Takt vorgibt und der andere antwortet und es noch besser machen will. Das muss man einfach gesehen haben. Alleine dieser Track ist den Kauf der DVD wert.

Die 2 DVD/2CD Digipack-Version hat leider nur das Stereoformat. Ob das bei der BluRay anders und eventuell gar ein Surroundsound enthalten ist, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Die vier Silberlinge sind in einem achtseitigen Digipack verpackt und kommen ohne Booklet daher. Die spärlichen Infos befinden sich auf der Außenseite, währen die Innenseiten hinter den durchsichtigen Plastikhalterungen zahlreiche Fotos vom Gig zeigen. Die bedien CDs bieten dann noch einmal das komplette Konzert im Audioformat.

„Snow - Live“ ist ein grandioser Livemitschnitt der sowohl in der Audio- wie auch in der visuellen Fassung voll überzeugt. Diese Veröffentlichung darf in keiner guten Rocksammlung fehlen.

Stephan Schelle, November 2017


 
 

CD-Kritiken-Menue