Die Einstellungen reichen von
der Totalen, über die einzelnen Musiker bis hin zur Draufsicht auf das
Schlagzeug. Auf Steven Wilson sind teilweise alleine drei (!) Kameras
gerichtet. Das Booklet bzw. der Abspann zählt insgesamt neun
Kameraleute, ich denke, dass die Kamera über dem Schlagzeug noch
dazugezählt werden muss. Das aus meiner Sicht absolut Erstaunliche ist
aber, dass man während der mehr als zwei Stunden Spielzeit äußerst
selten einen Kameramann sieht. Sehr oft filmen diese sich ja
gegenseitig. Hier ist es wirklich gelungen, bis auf zwei, drei kurze
Szenen, nur das zu filmen, was zählt: die Musiker. Die Szenen, die
typischerweise im Hintergrund der PT-Konzerte laufen, werden übrigens
nicht in das Konzert hereingeschnitten. Das Publikum wird recht selten
gezeigt. Nun ist die Musik von PT ja auch nicht dazu angetan,
„abzugehen“. Wenn die Kamera einmal ins Publikum zeigt, sieht man dort
auch eher Menschen, die gebannt zusehen und -hören und sich mehr
verträumt bewegen.
Die Bildqualität ist wirklich über
jeden Zweifel erhaben. In einigen dunklen Szenen ist das Bild ein wenig
körnig. Aber es wäre aus meiner Sicht auch sehr seltsam, wenn das nicht
so wäre. Wenn ich live im Konzert bin, habe ich ja auch nicht immer die
klarste Sicht. Ansonsten sind die Aufnahmen einfach fantastisch. Die
Farben sind satt, man möchte förmlich in das dunkle Blau der Bühne mit
eintauchen. Auch in den Nahaufnahmen der Musiker bleibt kaum einmal ein
Bartstoppel unentdeckt. Unterm Strich muss ich sagen, dass diese
Aufnahme für mich eine neue Referenz bei Musik-DVDs darstellt. Es gibt
vielleicht von der Bildqualität noch hochwertigere Blu-rays (z.B. Jethro
Tulls „Live at Montreux“ oder Gary Moores „Tribute to Phil Lynott“),
aber da sind die Lichtverhältnisse auch völlig andere. Das Bild dieser
Scheibe versetzt einen direkt in das Konzert.
Der gute Ton darf natürlich ebenfalls
nicht unerwähnt bleiben. Man hat die Auswahl zwischen PCM Stereo und dem
DTS-HD Master. Beide Einstellungen bringen einen klaren, vollen Ton,
aber ich muss sagen, dass die DTS-Variante das Gefühl noch verstärkt,
mittendrin zu sein. Der gesamte Raum ist von der Musik erfüllt. Man
möchte jubeln!
Bleibt noch die Ausstattung. Hier fange ich mal mit dem
Negativen an: Dass das supertolle „FSK ab 0“-Abzeichen auf allen neuen
DVD-Covern prangt, ist vielen Ästheten ein Dorn im Auge. Dass sich
dieses Sch…ding aber noch nicht einmal ablösen lässt, sondern in das
Cover eingedruckt ist, halte ich für eine echte Unverschämtheit.
Andererseits schafft es dieses Detail nicht, mir den Gesamteindruck zu
vermiesen. Denn die DVD/Blu-ray ist sonst sehr schön aufgemacht – wie
ein kleines Buch. In den beiden Umschlagseiten sitzen die Discs fest
drin, lassen sich auch herauslösen, ohne Angst zu haben, dass man sie
zerbricht. In der Mitte befindet sich dann ein wirklich sehr schönes,
geheftetes Booklet, das sich entsprechend leicht durchblättern lässt.
Für das Artwork gibt es einen Extrapunkt (um dieses unsägliche FSK-Logo
aufzuwiegen). Außerdem besitzt die Blu-ray noch einen schönen Bonus:
vier der Hintergrund-Filme des aktuellen Konzerts („Way Out Of Here“,
„My Ashes“,
„Wedding Nails“,
„Strip the Soul / Dot Three“) und zusätzlich jenes zu „Nil Recurring“ machen noch
einmal rund zusätzliche 30 Minuten aus. Die Bildqualität ist hier nicht
ganz so toll:
„Wedding Nails“,
„Strip the Soul“ liegen beispielsweise nur im 4:3 Format vor. Das ist wohl
auch der Grund dafür, dass die Videos einzeln angewählt werden müssen
und nicht hintereinander laufen. Trotzdem ist es ein Genuss, die
Sequenzen so zu sehen. Inhaltlich muss ich mich dann aber doch wieder
ein wenig aufregen: gerade „Way Out Of Here“ und „Nil Recurring“
enthalten Szenen, die ein kindliches Gemüt verstören können, so dass
„FSK ab 0“ wieder lächerlich ist. Aus erwachsener Sicht ist das sicher
ein ästhetischer Leckerbissen, aber einem Kind wollte ich diese Szenen
nicht zeigen.
Alles in Allem ist diese Konzert-Blu-ray mit ihren 130
Minuten Laufzeit einfach nur ein Genuss. Und das sage ich auch, weil ich
das Album „Fear Of A Blank Planet“ nicht für das Beste halte. Aber PT
muss man nun einmal live gesehen haben. Das hier ist die beste
Gelegenheit, komplett in das Konzert abzutauchen. Schließlich zeichnet
Steven Wilson auch noch für den Sound Mix verantwortlich. Und hier
stellt sich wieder einmal die Frage: Wie macht der das? Neben PT bringt
er eine Solo CD raus, remixt die alten PT Alben, geht mal mit Aviv
Geffen auf Tour, dann wieder mit seiner Band, mixt nebenbei noch das
neue Anathema Album ab…
Daher an alle diejenigen, die sich darüber aufregen, dass
PT jetzt erst mit Material der „Fear Of The Blank Planet“ – Tour
herauskommen: Schaut euch das Ganze mal in Ruhe an! Hier liegt sehr viel
im Detail und möchte entdeckt werden.
Hubertus Becker,
Juni 2010