Nina Hagen Band & Nina Hagen – Live At Rockpalast
Sony Music / Aviator (2012)
(27 Stücke, 120 Minuten Spielzeit)

In den 70’er Jahren kam die in der DDR geborene, ausgebildete Sängerin Nina Hagen nach Westdeutschland und avancierte in der Folgezeit zur deutschen weiblichen Punkikone. Schon das Erstlingswerk „Nina Hagen Band“ hatte einen durchschlagenden Erfolg zu verzeichnen. Mit in der Band waren die Musiker Reinhold Heil, Herwig Mitteregger, Bernhard Potschka und Manfred Praeker, die später als Spliff sehr erfolgreich werden sollten.

Nina’s Debüt erschien im Jahr 1978. Noch im gleichen Jahr holte der Rockpalast die schrille und stimmgewaltige Sängerin mit Band auf die Bühne der Dortmunder Westfalenhalle. Dieser Auftritt stellt den ersten Teil der DVD „Nina Hagen Band & Nina Hagen Live @ Rockpalast“ dar. Daneben ist noch ein weiterer Mitschnitt aus dem Jahr 1999 enthalten, der Nina Hagen in den Rheinauen in Bonn bei einem Open Air-Auftritt zeigt.


Das Sahnehäubchen dieser DVD ist aber zweifellos der 78’er Auftritt in Dortmund, der auf der DVD gut 60 Minuten umfasst. Völlig verrückt geht Nina bei diesem Konzert zu Werke, so wie man sie kennt. Mimik, Gestik und Stimmlage variieren am laufenden Band. Der Auftritt beginnt mit der eigenen Interpretation des Tubes-Klassikers „White Punks On Dope“, das bei Nina „TV-Glotzer“ heißt. Schon von den ersten Sekunden an sprüht Nina voller Energie und singt und schreit sich förmlich die Seele aus dem Laib. Und ihre Begleitband zeigt, welche Klasse die Musiker damals schon hatten. Diese Formation war wahrscheinlich die Beste, die Nina je unterstützte, denn sie agieren unglaublich druckvoll und rockig.

Mit Ausnahme des Stückes „Fisch im Wasser“ spielen Nina und ihre Band das komplette Debütalbum. Dazu gibt es mit „Hermann hieß er“ einen Song der auf dem zweiten Album „Unbehagen“ erscheinen sollte und „May Way“, einer deutschen Interpretation des Evergreens, noch zwei weitere Songs. Allein wegen dieses Mitschnitts ist diese DVD ihr Geld wert.

Die zweite DVD zeigt Nina dann 20 Jahre später und gereifter. Sie hatte sich längst vom Punk abgewendet und neue Musikformen in ihren Sound integriert. Das zeigt dann auch der 70minütige Mitschnitt aus Bonn. Funk und Soul hatten Einzug in ihre Musik gehalten, doch ist es immer noch ihre eigene Art zu singen, die ihre Stücke so besonders machen. Und so agiert sie auch bei diesem Auftritt in Bonn äußerst Energie geladen und Stimmgewaltig. Allerdings ist die Band, das sind an diesem Tag Joshua M. Lopez (Gitarre, Gesang), Eric Moon (Tasteninstrumente), Brad van Loenen (Bass, Gesang) und Jeff Mince (Schlagzeug) nicht ganz so rockig und druckvoll wie es Heil, Mitteregger, Potschka und Praeker waren. Das ist aber auch dem neuen Sound von Nina’s Stücken geschuldet, auch wenn dies gerade bei den älteren Songs wie zum Beispiel „TV-Glotzer“ besonders deutlich wird. Highlights sind aber sicherlich das Reggae durchströmte „African Reggae“ und das elektronische „Zarah (Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn)“.

Während die Bildqualität der 78’er Aufnahme etwas blass ist, so ist der 99’er Mitschnitt sehr gut gelungen. Das Tonformat liegt bei beiden Aufnahmen in PCM-Stereo vor.

Auf dieser DVD sieht man schön, wie sich Nina im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat. Sie ist sicherlich eine der wichtigsten weiblichen Personen im deutschen Musikbusiness und so ist auch dieses Bildmaterial für die heimische Rocksammlung unverzichtbar - vor allem wegen dem 78’er Mitschnitt.

Stephan Schelle, November 2012


 
 

CD-Kritiken-Menue