Johnny Winter – Blues Rock Legends Vol. 3 (DVD)
mig / made in germany music (2011)
(12 Stücke, 122 Minuten Spielzeit)

Peter Rüchel erinnert sich, dass die vierte Rockpalast-Nacht, die vom 21 auf den 22. April 1979 stattfand, den endgültigen Durchbruch für die diese Rocksendung darstellte. An diesem Abend war die Essener Grugahalle erstmals mit 10.000 Besuchern restlos ausverkauft. Die Sendung hatte ihre Fans und die Karten wurden teilweise schon gebucht, ohne dass der erste Liveact feststand. Das LineUp bestand an diesem Abend aus drei amerikanischen Bands. Den Start machte die Rhythm And Blues Formation The J. Geils Band. Danach trat die Patti Smith Group auf. In den köpfen der Rockfans wird wohl ewig das Interview von Patti bleiben, die dabei völlig aus dem Hier und Jetzt entrückt zu sein schien, um es mal vornehm auszudrücken. Den Abschluss bildete dann der Bluesrock von Johnny Winter. Und genau dieses Konzert aus dem Jahr 1979 wird am 25. Februar 2011 bei mig als DVD veröffentlicht.

Ursprünglich sollte Johnny Winter (Gesang und Gitarre), der an diesem Abend mit Jon Paris an Bass und Mundharmonika sowie Bobby Torello am Schlagzeug auftrat, nur 80 Minuten Zeit für seinen Gig bekommen.


Als Johnny dann aber weit nach Mitternacht die Bühne entern sollte, fragte der Tourmanager bei Rüchel nach, ob er auch zwei Stunden spielen dürfe. Zum Glück hatten die Macher damals so viel Spielraum, um ihm diesen Wunsch zu erfüllen, denn so konnte Johnny Winter in dieser Nacht mit langen Soli aufwarten und den Auftritt unvergesslich machen.

Aufgrund der Zeit, die ihm zur Verfügung stand ließ Johnny beispielsweise den „Mississipi Blues“ auf mehr als 17 Minuten anwachsen und auch Bobby Torello ließ sein Schlagzeugsolo auf satte zehn Minuten ausarten, bei dem er aber auch von beiden Musikern zu Beginn und am Ende unterstützt wurde. Torello agiert hinter seinem Schlagzeug wie das Tier aus der Muppet Show und verlässt auch schon mal seinen Sitz um sein Schlagwerk zu umrunden oder auf dem Boden und den Boxen zu trommeln. Während des Schlagzeugsolos ist eine Klarinette zu hören, die von Pattie Smith gespielt wird. Sie wollte unbedingt mit Johnny zusammen jammen, doch der war so in seinen Blues vertieft, dass er sie nicht am Bühnerand wahrnahm. Bei dem Solo schleicht sie sich aber kurz auf die Bühne.

Neben Bluesnummern sorgte Winter auch mit druckvollem Rock’n’Roll bei Stücken wie Chuck Berry’s „Johnny B. Goode“ und dem Rolling Stones Klassiker „Jumpin’ Jack Flash“ dafür, dass die Zuschauer nicht einschliefen.

Das Bild ist dem Alter entsprechend etwas milchig und pixelig, was aber aufgrund des wirklich guten Sounds und dem hervorragenden Konzert zu verschmerzen ist. Johnny bot Bluesrock vom feinsten. Den Opener „Hideaway“ von Freddie King streckte er gleich mal auf elf Minuten Länge und baute hier auch mal eben unter anderem eine Passage von „Peter Gunn“ ein und das so perfekt, als gehörte es in dieses Stück. Und schon vom ersten Ton an fasziniert dieser Auftritt, heute genauso wie Ende der 70’er. Beispielsweise ist „Walking By Myself“ in einer unwiderstehlichen und treibenden Version dargeboten worden, die auch heute noch ihresgleichen sucht. Sehenswert ist auch, wenn Johnny und Jon die Instrumente beim „Rockabilly Boogie“ tauschen und während des Tracks Johnny durch Jons Arme greift und die E-Gitarre spielt, während Jon mit beiden Händen hinter sich (um Johnny Hüfte) an den Bass greift, den Johnny umhängen hat, und den Rhythmuspart spielt. Beide sind dabei fast im Blindflug unterwegs und doch spielen sie einen perfekten Boogie.

Auch wenn Johnny an der Gitarre klar das Zepter in der Hand hält, so geht er doch so manches Zwiegespräch mit Bass und Schlagzeug ein. Jon und Bobby bringen sich so perfekt in den Gesamtsound ein, so dass die drei wie eine Einheit wirken.

mig hat mit diesem Auftritt ein wirkliches Zeitdokument festgehalten und wiederveröffentlicht, dass jeder Rock- und vor allem Rockpalast-Fan in seiner Sammlung haben sollte.

Stephan Schelle, Februar 2011


 
 

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