Joe Jackson – Live At Rockpalast - DVD
mig / made in germany music (2012)
(50 Stücke, 266 Minuten Spielzeit)

Joe Jackson - oder zumindest seine Musik - kennt wohl fast jeder, der Musik hört. Sein Stück „Steppin’ Out“ war eine Megaseller und wird auch heute noch im Radio gespielt. Allerdings hatte der Brite noch wesentlich mehr drauf als nur einen Hit abzuliefern. Der WDR-Rockpalast hatte den Briten und seine Band im Jahr 1983 zur 12. Rockpalastnacht nach Essen in die Grugahalle eingeladen. Dieses Konzert erscheint am 30.03.2012 bei mig. Besonders hervorzuheben ist das Audioformat. Das Konzert kann wahlweise in PCM Stereo oder Dolby Digital 5.1 abgespielt werden. Neben diesem Konzert gibt es noch zwei weitere Mitschnitte des Rockpalast. Einer ebenfalls aus 1983 in der Markthalle Hamburg mitgeschnitten und ein zweiter aus dem Jahr 1980, aufgenommen im WDR Studio Köln.

Es gibt in der Rockmusik nur wenige Dokumente, die einen Künstler im Zenit seines Schaffens zeigen - und noch weniger solche, die den Anfang einer Karriere beleuchten. In der Zeit vor der DVD gab es nur Promotion-Videos, Schnipsel von Konzerten und Video-Aufnahmen, und es war ausgerechnet das viel geschmähte Fernsehen, das einzigartige Momente festhielt - voran der „Rockpalast“ des WDR. Wie sonst nur der „Old Grey Whistle Test“ der BBC etablierte diese Reihe in den 70er-Jahren ein Forum für die Künstler der Zeit, von denen manche heute vergessen, manche obskur - und einige legendär sind.


Joe Jackson ist zwar heute legendär, aber eine höchst betriebsame Legende - er nimmt weiterhin Platten auf, gibt überraschende Konzerte mit verschiedenen Besetzungen, wohnt mal in Berlin, mal auf der Isle Of Wight und hat noch einen Koffer in New York. Er hatte schon eine Karriere vor seinem Debüt-Album „Look Sharp!“, das 1979 erschien: In seinem Erinnerungsbuch „A Cure For Gravity“ kann man nachlesen, wie Jackson und seine Band in einem kleinen Bus durch England zuckelten und in Kaschemmen für ein desinteressiertes Publikum Stücke von David Bowie spielten.

Wenn man sich die zweite DVD mit dem Mitschnitt aus 1980 anschaut, dann kommen hier Parallelen zu vorgenannten Erlebnissen auf, denn im bestuhlten Kölner WDR Studio wirkt es schon etwas skurril, dass sich die Band auf der Bühne mit ihren Rock’N’Roll getränkten Songs einen abspielt und das Publikum eher ruhig auf den Sitzen verharrt (nur vereinzelte Zuschauer gehen mit). Mit dieser Situation nicht ganz zufrieden, lässt sich Jackson zu einigen spöttischen Reaktionen hinreißen. Der sehenswerte Gig, den Jackson und Band spielten, absolvierten sie in der Besetzung Joe Jackson (Harp, Gesang), Graham Maby (Bass, Gesang), Gary Sanford (Gitarre, Gesang) und Dave Houghton (Schlagzeug, Gesang). Lustig ist anzusehen, wenn Jackson eine Kiste, hinter der sich ein Kameramann verbirgt, beiseite schiebt und diesen damit enttarnt.

Der Gig in der Grugahalle fiel dagegen wesentlich professioneller, energievoller und voluminöser aus. Jackson lieferte einen mitreißenden Gig, bei dem neben ihm Garaham Maby (Bass, Gesang), Joy Askew (Keyboards, Gesang), Ed Rynesdal (Keyboards, Gesang), Sue Hadjopoulos (Perkussion, Gesang) und Larry Tolfree (Schlagzeug, Gesang) auf der Bühne standen.

Jackson & Band lieferten ein mitreißendes Konzert bei dem vor allem die a capella-Version seines Hits „Is She Really Going Out With Him“ zu einem sehens- und hörenswerten Erlebnis wird. Aber schon mit dem Betreten der Bühne und dem Opener „On Your Radio“ kann er punkten und das Publikum mitreißen. Bei diesem Stück wird der Vergleich zu dem 80’er Konzert besonders deutlich. Der Song wirkt in der neuen Version viel ausgereifter. Das liegt aber auch an der vergrößerten Band und der Tatsache, dass sich Joe Jackson auf seinem Zenit befand. „Another World“ zeigt sich mit seiner ausgefeilten Perkussion von seiner besten Seite. Nicht nur hier merkt man, dass eine gehörige Portion an Weltmusik in die Stücke von Joe Jackson Einzug gehalten haben. Eine jazzige Nummer wie „Tuxedo Junction“ findet sich dann auch noch auf der Setlist. Und natürlich hat Jackson auch seinen Hit „Steppin’ Out“ im Programm, bei dem das Publikum dann richtig abgeht. Zum Ende des Konzertes bieten Joe Jackson und Band ein 15minütiges Medley von Motown-Songs. Alleine dieses mitreißende Medley ist es Wert, dass das Konzert der Nachwelt erhalten bleibt.

Eine Spur intimer fiel der Auftritt in der Hamburger Markthalle aus, der gut zwei Monate zuvor im Jahr 1983 aufgenommen wurde. Jackson steht mit der gleichen Mannschaft, wie zwei Monate später in Essen auf der Bühne. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Setlisten aus Hamburg und Essen identisch, das tut dem Genuss aber keinen Abbruch.

mig haben hier einen wahren Schatz aus dem Rockpalastarchiv gehoben. Besonders die Entwicklung Jackson’s zwischen 1980 und 1983 zu sehen, macht einfach nur Spaß. Jedes Konzert ist für sich gesehen ein Erlebnis. Ein Muss für die Rockpalast-Sammlung.

Stephan Schelle, März 2012


 
 

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