Copernicus – Live! In Prague - DVD
Nevermore / moonjune records (2011)
(10 Stücke, 70 Minuten Spielzeit)

Der in New York lebende Dichter und Musiker Copernicus trat am 17. Juni 1989 im Praha Slavia Stadium in Prag vor 9.000 Zuschauern auf. Bei der Halle scheint es sich um ein Eishockey-Stadion zu handeln, das zum Zeitpunkt des Konzertes aber auch schon einige Jahre auf dem Buckel zu haben schien. Nach der Veröffentlichung des Albums „Deeper“ im Jahr 1989 kamen einige Anfragen aus Europa, die Copernicus live auf die Bühne holen wollten. Das führte die Band um den charismatischen Frontmann in einige europäische Städte, darunter auch Berlin, Moskau und eben Prag. Der Gig in Prag, bei dem sie Teil eines kleinen Festivals waren, das sie mit drei weiteren Bands bestritten, wurde mitgeschnitten und kommt Mitte November 2011 erstmals auf DVD heraus.

Neben Copernicus, der Gesang und Texte beisteuert, standen Larry Kirwan (Keyboards, Gitarren, Gesang), Mike Fazio (Gitarren), Thomas Hamlin (Schlagzeug) und Dave Conrad (Bass) auf der Bühne. Das Bild ist körnig und teils streifig. Es wirkt, als hätte man den Film von einem Videoband kopiert. Der Klang ist aber ganz in Ordnung.


„Live! In Prague“ ist ein Konzertfilm, denn er beginnt nicht wie ein reiner Konzertmitschnitt mit dem Auftritt der Band sondern schon viel früher. Es werden zu Beginn Aufnahmen vom Einlass gezeigt, die den Ostblock, Ende der 80'er Jahre sehr gut widerspiegeln. Da sieht man Militär und Wohnsilos und auch die Location, in der die Band auftritt, scheint etwas runtergekommen zu sein. Aber das tut der guten Stimmung keinen Abbruch. Während die Kamera also auf das Gelände zuschreitet, werden einige Erklärungen von Copernicus selbst gegeben. Gerade diese Filmsequenzen wirken so, als ob sie mit einer normalen Videokamera gemacht wurden. Das hat einen ganz eigenen Charme, so als wenn man ein Urlaubsvideo drehen würde.

Der Anfang mit dem Einlass des Publikums ist für meinen Geschmack etwas zu lang geraten. Es wirkt recht langweilig aus der Sicht des Kameramannes immer wieder neue weibliche Gesichter einzufangen. Die scheinen es ihm angetan zu haben. Erst nach gut acht Minuten fängt dann der Konzertmitschnitt richtig an. Im Splitscreen wird das Geschehen gleichzeitig aus zwei Blickwinkeln gezeigt (aus der Totalen und von der Seite). Mit dem Stücke „The Authorities!“ beginnt dann das Konzert zunächst instrumental. Während des Intros ist die Band noch allein auf der Bühne. Dann kommt der charismatische Frontmann mit langem weißem Haar, schwarzem Hut und weißer Sonnenbrille auf die Bühne und beginnt mit seinem Sprachgesang. Gesang kann man es eigentlich nicht nennen, denn er spricht, schreit und erzählt seinen Text ins Mikro. Dabei wirkt er fast wie ein Schauspieler.

Die Musik selber ist kaum zu beschreiben. Unterschiedliche Stilarten irgendwo zwischen New Wave und experimentellem Jazz spielt die Band, während Copernicus selbst, mit seiner Art die Texte zu rezitieren, die Musik förmlich damit durchschneidet. Manchmal klingt die Musik dabei auch wie ein totales Durcheinander. Und doch finden die Musiker immer wieder zu eingängigen Klängen und Rhythmen zurück.

Copernicus scheint sich gleich schon im ersten Stück „The Authorities!“ in Ekstase zu singen. So Energie geladen wie in diesem ersten Track verhält er sich auch während des ganzen Auftrittes. So schräg, wie dieses erste Stück, so geht es auch auf der kompletten DVD zu.

Die Musik von Copernicus ist schon recht speziell und nicht leicht zu konsumieren. Diese DVD ist nur etwas für Freunde des Außergewöhnlichen. Vor dem Kauf sollte man die Musik kennen bzw. unbedingt vorher antesten.

Stephan Schelle, November 2011


 
 

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