In seiner Einleitung zeigt Steve Appleford aber zunächst auf, wie sich
die Gruppe zusammenfand und ihren Weg von Interpretationen bekannter
Bluessongs über ihre ersten Veröffentlichungen bis zu den ersten
Eigenkompositionen, die durch den damaligen Manager Andrew Loog Oldham
forciert wurden und zum Welterfolg führten.
In der Folge werden die Alben,
angefangen vom selbst betitelten Erstling bis hin zu „A Bigger Bang“
unter die Lupe genommen und so manche Begebenheit aus den
Produktionszeiten Preis gegeben. So waren beispielsweise Produzent Phil
Spector und Popsänger Gene Pitney bei den Aufnahmen im Jahr 1964 im
Studio. Das verarbeitete die Band kurzerhand im Titel des Marvin
Gaye-Klassikers „Can I Get A Witness“ mit dem Zusatz „(Like Uncle Phil
And Uncle Gene)“.
Und auch bei den Aufnahmen des zweiten
Albums im Chess Studio in Chicago, die ebenfalls im Jahr 1964
stattfanden, kamen bekannte Musiker vorbei, um die britische Band mit
ihrem negativen Image zu begutachten. Dieses Mal waren es die
Musiklegenden Chuck Berry und Muddy Waters, die die jungen weißen
R&B-Fanatiker selbst erleben wollten. Das waren aber nicht die
einzigen Musiker, die sich im Studio, wenn die Stones aufnahmen, blicken
ließen. Am Ende des Buches ist noch ein ausführliches Kapitel den
Singles, EPs, B-Seiten und anderen Raritäten gewidmet. Das Ganze ist
durch zahlreiche Fotos aus der Bandgeschichte angereichert.
Man erfährt auch einiges über die
damalige Veröffentlichungspolitik. So heißt es im Buch: „Out Of Our
Heads“ war in Amerika drei Wochen lang das meistverkaufte Album, in
England kam es nicht über Platz 2 hinaus. Im Rückblick muss man
feststellen, dass die britische Version von „Out Of Our Heads“ eindeutig
schwächer war als das amerikanische Original, auf dem sich auch die
Songs „Play With Fire“ und „(I Can’t Get No) Satisfaction“ befanden.
Weil beide Nummern in England bereits als Single veröffentlicht worden
waren, ließ man sie beim Album weg. Die Hörer in Großbritannien mussten
deshalb auf zentrale Tracks von „Out Of Our Heads“ verzichten. „Man
bringt Singles nicht auf einem Album raus“, meinte Oldham zur
Veröffentlichungspolitik der Stones in Großbritannien. „Nur zur
Erinnerung: Wir hatten den Krieg gewonnen und doch verloren. Nur wenige
Leute hatten viel Geld. Also musste man ihnen das Geld aus der Tasche
ziehen.“
Auf dem Umschlag des Buches wird DIE
ZEIT mit folgendem Satz zitiert: „Hier hängt man mit beiden Augen an
jedem Song und will ihn auf der Stelle hören.“ Dieses Zitat
beschreibt ganz gut das Empfinden des Lesers, wenn er sich dieser
Biografie widmet. Man ist andauernd geneigt, den jeweiligen Song
aufzulegen bzw. wird neugierig auf den entsprechenden Titel. Am besten
man sorgt beim lesen für die richtige audiophile Untermalung, in dem man
sich die Stones in den Player legt.
„The Rolling Stones – Die Story zu
allen Songs!“ ist eine äußerst kurzweilige und sehr schön geschriebene
Biografie einer der bahnbrechendsten Rockbands. Sehr zu empfehlen.
Stephan Schelle,
April 2011